Der Imperativ der Würde steht heute im Zentrum zahlreicher sozialer Bewegungen und gesellschaftlicher Debatten über Diskriminierung, Arbeit oder sogar Tierhaltung. Gleichzeitig haben sich jedoch Verletzungen der Würde und Erfahrungen der Würdelosigkeit vervielfacht: in Krankenhäusern und Pflegeheimen zum Beispiel oder in Flüchtlingslagern und Gefängnissen. Das Versprechen der Würde, das die Moderne stolz verkündete, scheint wiederholt verraten worden zu sein, wie die französische Philosophin und Psychoanalytikerin Cynthia Fleury in ihrem neuen Buch zeigt.
Sie plädiert für eine psychoanalytische Klinik der Würde, um eine philosophische Diagnose stellen und therapeutische Lösungen finden zu können. Unter Berufung auf die Schriften von James Baldwin, auf Theorien der Sorge und postkoloniale Ansätze fordert sie dazu auf, sich nicht mit Untätigkeit abzufinden und das Konzept der Würde von seinen Rändern her neu zu denken. Im Zusammenspiel von Psychoanalyse, Literatur und Sozialwissenschaft gewinnt die Forderung nach Würde im Zeitalter des Anthropozäns so ihre ganze Radikalität zurück.
Sie plädiert für eine psychoanalytische Klinik der Würde, um eine philosophische Diagnose stellen und therapeutische Lösungen finden zu können. Unter Berufung auf die Schriften von James Baldwin, auf Theorien der Sorge und postkoloniale Ansätze fordert sie dazu auf, sich nicht mit Untätigkeit abzufinden und das Konzept der Würde von seinen Rändern her neu zu denken. Im Zusammenspiel von Psychoanalyse, Literatur und Sozialwissenschaft gewinnt die Forderung nach Würde im Zeitalter des Anthropozäns so ihre ganze Radikalität zurück.
»Fleurys vielfältige Überlegungen sind spannend ...« Marlen Hobrach der Freitag 20241205
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Jens Balzer ist über weite Strecken einverstanden mit Cynthia Fleurys Gedanken zur Würde, sie haben aber, findet er, eine Leerstelle. Die Philosophin und Psychoanalytikerin Fleury erläutert philosophische Fragen aus der Perspektive einer Therapeutin, was Balzer gut gefällt. Die grundlegende These ist, lernen wir, dass Erfahrungen von Entwürdigung, zum Beispiel in Altersheimen, zu einer Form von Empörung führt, die oft nur in Selbstmitleid resultiert. Dabei sollte es darum gehen, rekonstruiert Balzer das Argument, die eigene Würde mit der anderer Menschen zu verbinden und so - Black Lives Matter kann hier ein Vorbild sein - politisch in Aktion zu treten. So weit so gut, meint Balzer, aber was ist mit jenen Kräften, die Würde auf andere Art politisieren, nämlich um einzelne Ethnien und Religionen zu stärken und Andersdenkende anzugreifen? Würde ist nicht gleich Würde, findet Balzer, das muss man bei der ansonsten lohnenden Lektüre dieses Buches mitbedenken.
© Perlentaucher Medien GmbH
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