Seit der Aufklärung gilt das Idealbild vom mündigen Individuum, das Verantwortung für sein Handeln trägt. Durch die Übermacht der neuen Medien und den globalen Kapitalismus wird jedoch die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, systematisch zerstört. Auch Erwachsene sind tatsächlich keine mündigen Individuen, sondern verharren in einem Zustand der Unreife, der es ihnen unmöglich macht, die jüngere Generation zu Verantwortungsbewußtsein zu erziehen. Ein Generationenvertrag wird aufgelöst und das Leben auf das Lustprinzip, die bloße Gegenwart, reduziert, somit wird Vergangenheit ausgelöscht und…mehr
Seit der Aufklärung gilt das Idealbild vom mündigen Individuum, das Verantwortung für sein Handeln trägt. Durch die Übermacht der neuen Medien und den globalen Kapitalismus wird jedoch die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, systematisch zerstört. Auch Erwachsene sind tatsächlich keine mündigen Individuen, sondern verharren in einem Zustand der Unreife, der es ihnen unmöglich macht, die jüngere Generation zu Verantwortungsbewußtsein zu erziehen. Ein Generationenvertrag wird aufgelöst und das Leben auf das Lustprinzip, die bloße Gegenwart, reduziert, somit wird Vergangenheit ausgelöscht und eine Zukunft nach den Idealen der Aufklärung aussichtslos. Die Folgen sind eine Infantilisierung der Gesellschaft, strukturelle Verantwortungslosigkeit und eine durch manipulative Medien verursachte gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeitsstörung. Bernard Stieglers Hauptinteresse gilt dem Zusammenhang von Kultur und Technik und den Veränderungen der Gesellschaft durch Medien und Digitalisierung. Der Autor klagt die Medien an, die in ihrer Funktion als "Psychotechnologien" ein triebgesteuertes Publikum heranzüchten, das nicht mehr Sorge tragen kann und soll - Sorge um das Selbst, die Familie, die Umwelt und auch die Sorge, wie sie sich in der mündigen Kritikfähigkeit äußert. Marketing wird zum alleinigen Instrument der Sozialkontrolle, die Telekratie ersetzt die Demokratie.
Originaltitel: Prendre Soin. De la jeunesse et des générations
Artikelnr. des Verlages: EU 6
3. Aufl.
Seitenzahl: 190
Erscheinungstermin: 17. April 2008
Deutsch
Abmessung: 177mm x 108mm x 12mm
Gewicht: 129g
ISBN-13: 9783518260067
ISBN-10: 3518260065
Artikelnr.: 23313355
Herstellerkennzeichnung
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Autorenporträt
Stiegler, BernardBernard Stiegler, geboren 1952, gestorben im August 2020, war Leiter der Abteilung »Kulturelle Entwicklung« im Centre Georges Pompidou. Zuvor wissenschaftlicher Leiter am Collège international de philosophie, Professor an der Technischen Universität von Compiègne (UTC) in Paris und am Nationalen Institut für Audiovisuelles INA, Direktor des IRCAM (Institut für Akustik- und Musikforschung). Begründer der Ars-Industrialis-Konferenzen, die sich mit dem Einfluss neuer Technologien auf die Gesellschaft beschäftigen. Stiegler hat öffentlich bekanntgegeben, daß er von 1978 bis 1983 wegen bewaffneten Raubüberfalls im Gefängnis saß.
Baghestani, SusanneSusanne Baghestani, geboren in Teheran, übersetzt Texte aus dem Persischen und dem Französischen ins Deutsche. Sie lebt heute in Frankfurt am Main.
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Einen vorsichtig skeptischen Blick wirft Rezensent Eberhard Rathgeb auf Bernhard Stieglers Buch "Die Logik der Sorge", das er eine "Art Manifest für einen demokratischen Kommunismus des Geistes" in der foucaldianischen Tradition nennt. Bevor er näher auf das Werk des französischen Sozial- und Technikphilosophen eingeht, entwirft er eine Typologie von Theorien, die aufs Ganze gehen, und kommt dabei zu dem Schluss, dass häufig schon eine "Handvoll Begriffe" ausreiche, "um sich in eine stabilisierte Position zur Welt zu bringen". Dabei scheinen ihm auch Temperament und Tonfall einer Theorie eine Rolle zu spielen, wenn es darum geht, welcher Theorie man letztlich anhängt. Er referiert sodann die Grundzüge von Stieglers Theorie über die Zerstörung der Aufmerksamkeit durch Medien und Konsum, wobei er einräumt, diese sei tatsächlich "komplexer" als von ihm dargestellt. Seine Intention ist es freilich, die "bipolare Grundstruktur" dieses Buchs vor Augen zu führen. Das gelingt dem Rezensenten auch recht gut, wobei er schon den Eindruck vermittelt, dass an Stieglers Überlegungen auch etwas dran ist. Aber letztendlich, vom Standpunkt der dem "runden Allgemeinen" derartiger Theorien misstrauenden Lebenserfahrung und Lebenspraxis aus, sieht die Welt seines Erachtens doch etwas anders aus.