Bei Royal Kopenhagen denkt man wohl zuerst an Porzellan und übersieht leicht, dass auch in der Steinzeugabteilung unter Nils Thorsson über fast 40 Jahre Herausragendes geleistet wurde. Anders als sein Vorgänger Hans Madslund, der als Chemiker mit reinen Ausgangsmaterialien experimentierte, stützte
Thorsson seine Glasurrezepte mehr auf naturnahe Grundmaterialien, wie z. B. rohes Eisenerz. Die…mehrBei Royal Kopenhagen denkt man wohl zuerst an Porzellan und übersieht leicht, dass auch in der Steinzeugabteilung unter Nils Thorsson über fast 40 Jahre Herausragendes geleistet wurde. Anders als sein Vorgänger Hans Madslund, der als Chemiker mit reinen Ausgangsmaterialien experimentierte, stützte Thorsson seine Glasurrezepte mehr auf naturnahe Grundmaterialien, wie z. B. rohes Eisenerz. Die Vorbilder waren Typen der ostasiatischen Keramik, z. B. chinesische Seladonglasuren oder die expressiven Temmoku-Glasuren Japans.
Die Beispiele, die Jörg Schwandt in seiner Monografie herangezogen hat, lassen diese ostasiatischen Referenzen schon auf den ersten Blick erkennen und zeigen die absoluten Spitzenprodukte aus der Steingut-Abteilung von Royal Kopenhagen. Es sind Stücke, die man auf Auktionen kaum einmal zu sehen bekommt, nämlich die echten „Glasur“-Objekte, die keine figürliche oder geometrische Dekoration tragen (diese sind relativ häufig). Alleine deswegen ist der exzellent illustrierte Band schon lesenswert. Hinzu kommt, dass sich der Autor auch technischen Fragen stellt, indem er grundlegende Informationen zu Brandtechniken und Glasurrezepturen liefert. Diese sind allerdings nicht bis ins letzte Detail aufgeschlüsselt, sondern vermitteln eher Prinzipien als konkrete Rezepte oder Temperaturkurven. Es geht dem Autor darum, dass der Leser versteht, welche Randbedingungen zu bestimmten Glasurmerkmalen führen, z. B. Auskristallisieren, Phasentrennung oder „Störeffekte“, die einen gewissen Grad an Zufälligkeit in das Ergebnis bringen. Auch Spannungsrisse (Craquelée) lassen sich nur im begrenzten Umfang steuern. Nils Thorsson hat in diesen Bereichen viel geleistet, indem er diese aufwendigen Glasuren vom Experiment in die Serienfertigung brachte. Dennoch sind diese Stücke, wie schon gesagt, selten auf dem Markt.
Im Anhang des Buches findet sich auch noch eine sehr informative Aufstellung von Signaturen, Stempeln und Datierungshilfen. Auch die Bronzemontierungen von Knut Andersen, die bis etwa 1950 von Royal Kopenhagen verwendet wurden, werden thematisiert.
„Die Magie der Glasur“ kann natürlich nur den visuellen Eindruck wiedergeben, die besondere und viel komplexere Haptik als bei Porzellan muss man sich dagegen vorstellen, was aufgrund der ausgezeichneten Aufnahmen und zahlreicher Vergrößerungen tatsächlich ganz gut funktioniert. Diese ungewöhnliche Werkschau erschließt einen eher unbekannten Teil der „Porzellanmanufaktur“ Kopenhagen, der zwar selten in Erscheinung tritt, aber definitiv einen zweiten und dritten Blick wert ist. Man braucht nur Geduld und Hartnäckigkeit bei der Suche.