»The Morality of Law« (1964) des US-amerikanischen Rechtstheoretikers Lon Fuller hat wie kein anderes Werk der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unser Verständnis der Rechtsstruktur geprägt. Allgemeine, öffentlich bekanntgemachte Regeln sollten, so Fuller, prospektiv wirken, hinreichend klar sein, nichts Unmögliches fordern, relativ beständig sein und in Übereinstimmung mit ihren inhaltlichen Vorgaben vollzogen werden. Diese Auffassung war und ist stilbildend für das Rechtsstaatsdenken ganzer Generationen von Rechts- und Staatstheoretikern.Vor dem Hintergrund gegenwärtiger politischer und gesellschaftlicher Herausforderungen erlebt Fullers Denken eine Renaissance. Das betrifft die Pandemiebekämpfung mit ihren rasch wechselnden, oftmals auch schnell hingeworfenen und deshalb zuweilen unklaren Regelungen ebenso wie rechtliche Reaktionen auf die Bedrohung durch den Klimawandel und ihnen inhärente Zielkonflikte zwischen Standortentwicklung, Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit. Und es betrifft die Chancen und Risiken, die aus den Möglichkeiten der Digitalisierung erwachsen.Die Ausgabe bietet die deutsche Erstübersetzung von Fullers Werk und öffnet damit einen bislang kaum genutzten Rezeptions- und Diskursraum. Eine ausführliche Einleitung erläutert die ungebrochene Relevanz von Fullers Denken für die Gegenwart.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Historisch interessant, aber nicht mehr auf dem Stand der rechtsphilosophischen Diskussion: So fällt das insgesamt skeptische Urteil des Rezensenten Michael Pawlik, selbst Rechtswissenschaftler, über Lon Fullers neu aufgelegtes Buch aus. Fuller zählte zu jenen Autoren, die gegen eine eindimensional positivistische Rechtsauffassung, wie sie etwa von John Austin vertreten wurde, anschrieben. Und zwar im Namen einer Verteidigung von Moral als notwendigem Bestandteil einer Rechtsordnung, was Fuller freilich lediglich aus der These ableitet, dass das Recht dem Zweck unterworfen sei, den Menschen Regeln zur Verfügung zu stellen und dass das nur gelingen könne, wenn diese Regeln bestimmten formalen Voraussetzungen zum Beispiel hinsichtlich ihrer Verständlichkeit genügen, so Pawlik. Unverständliches Recht hingegen sei letztlich gar kein echtes Recht. Das sollte an die Naturrechtstradition anschließen, aber Fullers Argumentation bleibe problembehaftet, seinen Ausführungen zufolge müssten beispielsweise auch die Regeln, nach denen Handwerkern Häuser bauen, etwas naturrechtliches an sich haben. Die in der neuen Auflage enthaltenen nachträglichen Änderungen, die Fuller an seinem Modell vornahm, überzeugen Pawlik ebenfalls nicht. Gelten lassen möchte der Rezensent das Buch lediglich als ein Fenster in eine Zeit, in der die amerikanische Rechts- wie Gesellschaftsordnung noch fundamental stabil war. Für heutige Problemstellungen hingegen, glaubt Pawlik, ist das Buch wenig brauchbar.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Fullers Buch ist ein Zeitdokument [...]. Man kann es als Zeugnis eines noch nicht mit sich selbst zerfallenen Amerikas nehmen.« Michael Pawlik in der FAZ vom 16.09.2025







