Schwindelerregende Managergehälter am einen Ende der sozialen Stufenleiter - wachsende Kinderarmut und Hartz-IV-Tristesse am anderen. Die Schere öffnet sich, soviel ist klar. Hans-Ulrich Wehler, einer der renommiertesten deutschen Sozialhistoriker, wollte es etwas genauer wissen: Wer kommt hierzulande nach oben, wer bleibt in der Regel stecken? Wie viel Vermögen haben wie viele? Wer wird gut versorgt, wenn er krank wird, wer ist schlecht dran? Wer heiratet wen? Wer wohnt wie? Verschärft sich die soziale Ungleichheit im Alter? Wie steht es um die Bildungschancen und die Rolle von Geschlecht, Herkunft, Religion, um das Verhältnis von West und Ost? Die Diagnose ist ernüchternd und nicht selten bedrückend: Bei allen eindrucksvollen Leistungen der deutschen Wirtschaft und aller unbestrittenen Wohlstandssteigerung der vergangenen Jahrzehnte ist die Bundesrepublik ein Land der "exzessiven Hierarchisierung" geblieben, in dem der Fahrstuhl nur für wenige nach oben führt, aber für immer mehr nach unten.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Erhellend scheint Stefan Reinecke dieses schmale Buch über die soziale Ungleichheit in Deutschland von Hans-Ulrich Wehler. Er unterstreicht, dass der Sozialhistoriker bei seinem kompakten Überblick über die Sozialgeschichte der Kluft zwischen Arm und Reich, auf das theoretische Instrumentarium von Max Weber und Pierre Bourdieu und deren Klassenbegriff zurückgreift. Dass andere theoretische Ansätze, die eher individualisierte Lebensstile fokussieren, von Wehler nebenbei abgekanzelt werden, missbilligt Reinecke. Nichtsdestoweniger findet er die Befunde Wehlers aufschlussreich und seine Erklärungen der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich seit 1949 weitgehend überzeugend. Er hebt in diesem Zusammenhang etwa die Erläuterungen über die Steuerpolitik hervor, die die Reichen bevorzugt. Besonders instruktiv sind für ihn Wehlers Ausführungen über die großen Entwicklungslinien der deutschen Klassengeschichte. Im Blick auf die Therapie hätte er sich von dem Autor allerdings etwas konkretere Vorschläge gewünscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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