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Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Der Schmerz beginnt bereits mit der Einleitung, mit namenlosen Gräbern nahe der Nickel-Besserungsanstalt für Jungen. Und wenn Whitehead in die Sechzigerjahre nach Tallahassee blendet, zu dem klugen und fleißigen Elwood Curtis, der 15-jährig bereits ein tiefes Gerechtigkeitsgefühl besitzt und dessen wertvollster Besitz eine LP mit der Rede Martin Luther Kings auf dem Zion Hill ist, zieht er in den Knochen wie ein nahendes Gewitter. Der Leser weiß, dass jeder Schritt, den Elwood in seinem weiteren Leben macht, ihn an diesen verteufelten Ort führen wird. Whitehead, der für "Underground Railroad" mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde, ist ein gnadenloser Chronist des Unrechts. Seine Sprache, so federleicht wie unmissverständlich und intensiv, spürt den Zusammenhängen der finsteren Tatsachen nach und dokumentiert die vielen Wunden und Demütigungen, die Menschen dunkler Hautfarbe ertragen müssen. Die Geschichte der Nickel Boys wartet mit Überraschungen auf, doch das Grauen, ausgelöst durch Männer, deren Väter bereits schlugen, und der tief verinnerlichte Freibrief, den sie in sich tragen, andere Menschen zu unterdrücken, peinigt wie erwartet - auf höchstem literarischem Niveau.

© BÜCHERmagazin, Meike Dannenberg (md)

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Johannes Franzen bedauert, dass die deutsche Übersetzung von Colson Whiteheads politischem Roman wie eine Doku über deutsche Jugenkriminalität in den achtziger Jahren klingt. Das hat der Text schon deshalb nicht verdient, findet er, weil Whitehead eine erstaunlich zeitgemäße Version engagierter Literatur vorlegt, indem er die echte Geschichte einer Besserungsanstalt in Florida zu einer Analyse des Rassismus in den USA um- beziehungsweise weiterschreibt. Wie er zu diesem Zweck den Stoff seine Figuren charakterisiert und Emotionen schürt, findet Franzen höchst gelungen: Gerade die Vereinfachung, meint Franzen, verleihe dem Roman seine emotionale Wucht. So entsteht laut Rezensent eine Geschichte der Gewalt, die durch verhaltene erlebte Rede jeder Sensationslust entgeht.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein politischer Roman, der die Probleme politischer Literatur nach Möglichkeit vermeidet - ein Beispiel dafür, wie eine gelungene engagierte Literatur heute aussehen könnte, die nicht nur agiert, sondern auch hohen ästhetischen Ansprüchen genügen kann." Johannes Franzen, taz, 08.07.19 "Trotz seiner ernüchternden Botschaft kommt 'Die Nickel Boys' ohne Sensationalismus aus. Das ist das Verdienst von Whiteheads Prosa, die nüchtern und detailreich beschreibt, wie sich die Burschen in diesem Regime der Unterdrückung zu behaupten versuchen, den Exzess dabei aber behände verknappt." Dominik Kamalzadeh, Der Standard, 27.06.19 "Der Roman ist wahnsinnig schmerzhaft zu lesen. Die Auswegslosigkeit nimmt einem beim Lesen oft den Atem." Volker Weidermann, Der Spiegel 15.06.19 "Dürfen sich Weiße mit schwarzen Opfergeschichten beschäftigen? Ich finde, dass Colson Whitehead sehr, sehr souverän und wirklich als großer Erzähler damit umgeht. Das ist wirklich große Literatur, die sich einfach an jeden Leser, der ein irgendwie noch schlagendes Herz hat und einen wachen Geist, richtet." Thea Dorn, Das Literarische Quartett, 14.06.19 "Colson Whitehead schreibt diesen Roman in einer präzisen, nüchternen Sprache und das macht ihn nur würdevoller. Durch die sprachliche Distanz gestaltet er bewusst weder Empörung noch Sentimentalität, aber sie entstehen automatisch." Henning Ahrens, NDR Kultur, 13.06.19 "Literarisch beglückend." Verena Lueken, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 09.06.19 "Whitehead zeigt, wie sich Rassismus anfühlt, und nimmt den Leser durch die schnörkellose Darstellung mit in die Verantwortung, sich zu dem Horror zu verhalten und zu entscheiden, wer man sein möchte." Nicolas Freund, Süddeutsche Zeitung, 08.06.19 "In Zeiten, in denen der liberale Rechtsstaat weltweit unter Beschuss gerät, kann man 'Die Nickel Boys' als Parabel darüber lesen, was es bedeutet, wenn Menschen das Recht, Rechte zu haben, abgesprochen wird." Martina Mescher, Der Freitag, 06.06.19 "Wenn häufig missbräuchlich benutzte Floskeln wie 'eindringlich', 'bestürzend' oder 'ergreifen' auf ein Buch zutreffen, dann auf Whiteheads von der ersten bis zur letzten Seite spannend, glänzend und vom Schriftsteller Henning Ahrens auch ausgezeichnet übersetzten Roman." Christoph Schröder, Deutschlandfunk Büchermarkt, 06.06.19 "Dieses Buch zeigt Whiteheads Fähigkeit, eine brisante und komplexe Thematik wirkungsvoll darzustellen. ... Seine Kunst besteht darin, niemals anklagend oder gar larmoyant zu sein. Mit seinem sachlichen, von leisem Sarkasmus geprägten Ton nötigt er dem Leser die Empörung nicht auf, sondern bringt ihn dazu, selbst empört zu sein." Ulrich Greiner, Die Zeit, 05.06.19 "Von Rassismus und Qualen: Ein packender Roman über ein grausames Kapitel der jüngeren Geschichte der USA." Carsten Otte, Zeit Online, 02.06.19 "Whitehead will nicht mit aller Macht aufrütteln, gar schockieren, plakativ anklagend sein. Sondern betont unaufgeregt und damit umso nachdrücklicher reiht er Szenen aus dem Innern einer Institution, die stellvertretend für Rassentrennung und den institutionellen Rassismus jener Zeit steht, für die Rassenhierarchie in allen Bereichen der US-Gesellschaft - trotz beginnender Veränderungen durch die civil rights movement." Gerrit Bartels, Tagesspiegel Online, 01.06.19 "Die Selbstverständlichkeit, mit der dieser Roman die Chancenlosigkeit von Schwarzen im rassistischen System dieser Zeit darstellt, verschlägt einem den Atem. Dabei klagt Whitehead nicht an. Er erzählt, er singt, er schaut hin." Carsten Hueck, Deutschlandfunk Kultur, 01.06.19 "Colson Whitehead hat in den letzten zwanzig Jahren viele unvergessliche Figuren geschaffen ... Elwood Curtis gehört in diese Reihe." Wieland Freund, Die Welt, 01.06.19 "Analytisch präzise zeigt der Roman auf, wie fatal Macht, Scham und Ohnmacht ineinander wirken." Sandra Kegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.06.19…mehr