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Heinz Czechowski hat seine Autobiographie geschrieben - und wer seine Gedichte und Essays kennt, weiß, daß dieser Autor sich selbst und 'die Verhältnisse' nicht schont. Hier berichtet einer von seiner Kindheit im Dresdner Stadtviertel 'Wilder Mann', in das der Krieg langsam einsickert, ebenso lakonisch und illusionslos wie von einer Schriftstellerkarriere, die sich im steten Widerstreit zur politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit entwickelt. Gegen nostalgische Verklärung des Vergangenen seit jeher zutiefst immun, beschreibt Czechowski ein Leben 'zwischen den Zeiten': die Verdunklung…mehr

Produktbeschreibung
Heinz Czechowski hat seine Autobiographie geschrieben - und wer seine Gedichte und Essays kennt, weiß, daß dieser Autor sich selbst und 'die Verhältnisse' nicht schont. Hier berichtet einer von seiner Kindheit im Dresdner Stadtviertel 'Wilder Mann', in das der Krieg langsam einsickert, ebenso lakonisch und illusionslos wie von einer Schriftstellerkarriere, die sich im steten Widerstreit zur politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit entwickelt. Gegen nostalgische Verklärung des Vergangenen seit jeher zutiefst immun, beschreibt Czechowski ein Leben 'zwischen den Zeiten': die Verdunklung der Kriegstage, den 'schönen blauen Septembertag', an dem er eine Lehre als graphischer Zeichner beginnt, das Studium am Leipziger Literaturinstitut unter der Ägide des charismatischen Georg Maurer, seine tragikomische 'Lehrzeit als Soldat', die sogenannte 'Sächsische Dichterschule' - aber auch die mißglückte Ankunft in der wiedervereinigten Republik, die ihn ironischerweise zunächst nach Italien und schließlich nach Limburg und Schöppingen führt. Heinz Czechowski erzählt hier mit einer fast radikalen Subjektivität von den Beschädigungen, die die 'Geschichte' ihm zugefügt hat, und legt ein beeindruckendes autobiographisches Bekenntnis vor.
Autorenporträt
Czechowski, Heinz§Heinz Czechowski, geboren 1935 in Dresden, gestorben 2009 in Frankfurt am Main. Nach dem Studium am Literarischen Institut in Leipzig Lektor und Dramaturg; seit 1968 freier Schriftsteller. Zahlreiche Veröffentlichungen (Lyrik, Dramatik, Essayistik, Prosa), erhielt viele Auszeichnungen und Stipendien, u. a. den Heinrich-Heine- und den Heinrich-Mann-Preis der DDR, den Hans-Erich-Nossack-Preis 1996, Stadtschreiber von Bergen-Enkheim 1990-91, Stadtschreiber von Dresden 1998.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.01.2007

Ein Mann sucht die Mitte
Irrungen und Wirrungen: Heinz Czechowskis Lebenserinnerungen

Ein Schriftsteller, der einst zur ersten Garde der DDR-Lyriker gehörte, hat die Geschichte seines Lebens aufgeschrieben: Heinz Czechowski. Wer, frühere Kollegen und ostelbische Lyrikverehrer ausgenommen, kennt ihn heute in Deutschland? Wohl nicht allzu viele, und so steht zu befürchten, dass nur wenige wissen möchten, was diese Autobiographie uns zu sagen hat. Wäre es wirklich so, dann müsste man das bedauern, denn das Buch bietet keineswegs bloß die Selbstdarstellung eines Mannes, der in der DDR Gedichte schrieb. Vielmehr finden wir darin ein eindrucksvolles Abbild deutscher Geschichte, die auch unsere Geschichte ist, eingebettet in ein Menschenleben, das auch unseres hätte sein können, wären wir unter den gleichen Auspizien auf den Lebensweg geschickt worden.

Czechowski, 1935 geboren, gehört zu der Generation, die Hitler-Zeit und Krieg im Kindesalter erlebte und ihre Formung als junge Erwachsene unter den Bedingungen eines geteilten Landes erfuhr. Wobei Czechowski und seinesgleichen es schwerer hatten als die Gleichaltrigen im Westen, denn sie mussten, kaum dem Druck der braunen Diktatur entronnen, sich dem Druck der neuen, der roten Diktatur fügen.

Natürlich haben sie es damals so nicht gesehen, denn die Machthaber der DDR versorgten ihre Untertanen mit genügend anspruchsvollen Parolen, um, besonders bei der Jugend, den Eindruck zu erwecken, der deutsche Oststaat sei Sieger über den Nationalsozialismus, Beschützer vor erneuter Hitlerei aus dem Westen und Fürsorger des Volkes. Diese Politposen sind längst durchschaut, und wenn der Autor uns weiter nichts zu offenbaren hätte, so würden wir diagonal durch die Seiten seines Buches huschen, mit dem Dargebotenen zwar einverstanden, aber daran nicht sonderlich interessiert sein, denn wir wissen ja alles.

Doch Czechowski kommt uns nicht als trockener Geschichtslehrer, sondern als begnadeter Erzähler, in einer Eigenschaft also, die wir bei ihm so bisher nicht kannten. Er hat zwar zu DDR-Zeiten und auch danach den einen oder anderen Prosatext verfasst; aber diese Arbeiten standen im Schatten der zahllosen Gedichte, mit denen er jahrzehntelang deutsche Poesiefreunde beeindruckte. Beim Lesen der Autobiographie jedoch wird deutlich, wie leichthändig Czechowski auch die erzählende Literaturform zu meistern weiß.

Was einen so einnimmt an dieser Lebensgeschichte, ist, dass der Autor dem Leser niemals vorschreibt, ja, nicht einmal nahelegt, was er denken soll. Wenn zum Beispiel der Knabe, in einem Randbezirk Dresdens zu Hause, den Untergang der Elbestadt im Februar 1945 miterlebt, so fällt kein Wort des Urteils, der politischen Belehrung. Der Autor stellt einfach dar, was geschah, was er sah und was sich vor seinen Kinderaugen danach tat. Er nimmt uns sozusagen an die Hand, zieht uns hinein in seine Geschichte und überlässt es uns, wie wir reagieren.

Diese Haltung prägt auch alles, was später kommt: seine Anfänge als technischer Zeichner, sein Studium im Leipziger Literaturinstitut "Johannes R. Becher", seinen Einstieg in die Literaturszene der DDR, Erfolge, Enttäuschungen, die langsame politische Desillusionierung, die vergebliche Suche nach neuen Idealen.

Es ist aber mehr als ein Lebensbericht. Czechowski entwickelt die Figur eines Menschen, der ohne leuchtende Ziele seinen Weg nicht finden kann, denn darauf hat man ihn von klein auf dressiert. Und zweimal hat er hinnehmen müssen, dass die Dresseure ihn belogen, dass dort, wo angeblich die Hoffnungssterne strahlten, nichts war als dunkle Nacht. Die zweite Enttäuschung ging tiefer als die erste, denn das Hitlerreich zerbrach vor den Augen eines erst Zehnjährigen, die Erkenntnisse über das Unwesen der DDR aber reiften in einem Mann zwischen der Mitte und dem Ende des Lebens.

Nicht etwa, dass der Autobiograph ein Klagelied singt. Er schimpft zuweilen, aber er jammert nie. Doch in den intensiven Porträts, die er uns von sich malt, waltet ständig ein gewisses Beben, eine Unruhe, für die es offenbar keine Beschwichtigung gibt. Sie wirkt sich auch in den privaten Bereichen aus, in die er uns blicken lässt. Es war Czechowski nicht gegeben, durch ein Glück daheim den Zumutungen draußen zu wehren. Die gesellschaftliche, die politische Prägung hat ihn ganz offensichtlich unfähig gemacht, eine Familie als Kraftquell aufzubauen und zu nutzen; seine Bindungen sind sämtlich fragwürdig und halten nicht. Der Mann, dem wir in diesem Lebensbericht begegnen, enthüllt sich, von Seite zu Seite stärker, als beklemmendes Beispiel dafür, was Menschen von schlimmen politischen Zuständen angetan werden kann. Sie finden ihre Mitte nicht, sie suchen noch in ihren Reifejahren und auch im Alter nach einer formgebenden Gewissheit, so, wie ein Kind nach der führenden, tröstenden Hand der Mutter sucht; aber sie bleiben erfolglos. So gesehen, gestaltet Czechowski nicht nur seine, sondern eine allgemeine humane Tragödie.

Dazu gehört auch ein nicht mehr ganz so seltener Vorgang: Der Verlag musste auf gerichtliche Anordnung hin einen Namen schwärzen, den Czechowski, der seit 1961 von der Staatssicherheit bespitzelt wurde, im Zusammenhang mit einer IMS-Sache erwähnt. Man verzichtete, vermutlich klugerweise, auf eine Gegenklage.

Gemessen an der Wirkung, die Czechowskis Blick in Zeiten und Seelen auf uns ausübt, scheinen kleine formale Patzer unwichtig. Es sind ihm nicht viele unterlaufen, schließlich ist der Autor seit Jahrzehnten in der Sprache zu Hause. Dafür legt auch seine Autobiographie im Großen und Ganzen ein bestrickendes Zeugnis ab. Doch eben weil das so ist, stört es ein bisschen, wenn Czechowski mitten im Fluss sprachlich gepflegter, präziser Darstellung "zurückerinnert", etwas "vorprogrammiert", "dank" mit dem Genitiv koppelt, vom West-Berliner "Hanseatenviertel" spricht (wenn das Hansaviertel gemeint ist) und so weiter. Ein Schriftsteller wie er sollte sich dem heutigen Massen-deutsch doch lieber verweigern. Und sein Verlag sollte wissen, was er einem Autor wie diesem an Lektoratsarbeit schuldig ist.

SABINE BRANDT

Heinz Czechowski: "Die Pole der Erinnerung". Autobiographie. Mit einem Nachwort von Sascha Kirchner. Grupello Verlag, Düsseldorf 2006. 284 S., 22,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit großem Interesse hat Rezensent Jens Grandt diese Autobiografie des 1935 geborenen Dichters Heinz Czechowski gelesen. Er sieht darin eine schonungslose Abrechnung des Dichters mit sich selbst, die auch Aufenthalte in der Psychiatrie nicht auslässt. Er bescheinigt dem Autor, "bis zur Schmerzgrenze" sein Selbst und seine Beziehungen zu den Protagonisten der DDR-Lyrik zu spiegeln. Detailliert beschreibe er Reibereien mit der Zensur, die Stasi-Spitzeleien, aber auch die Misshelligkeiten untereinander. Wer sich für die Lyrik-Szene der DDR interessiert, findet nach Einschätzung Grandts hier eine Fülle von "faktengespickten Momentaufnahmen". Insgesamt macht der Band auf ihn allerdings einen "unfertigen" Eindruck. Zum einen fehlen ihm etwas der Schwung und auch die Reflexionen, zu oft werden für seinen Geschmack auch belanglose Episoden einfach chronologisch aneinandergereiht. Zum anderen kann ihn das Werk stilistisch nicht immer überzeugen. Nichtsdestoweniger beschließt er seine Besprechung mit einem Lob: "Für den Mut aber, ein wenig bekanntes Kapitel neuerer Literaturgeschichte zu erschließen, volle Anerkennung!"

© Perlentaucher Medien GmbH