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Zwischen April 1921 und August 1924 war Aby Warburg, der geniale Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler, Insasse im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen, wohin er nach einem schweren psychotischen Zusammenbruch eingewiesen worden war - er hatte gedroht, sich und seine Familie umzubringen. Leiter der psychiatrischen Heilanstalt war Ludwig Binswanger, seinerseits bedeutender Psychiater, dessen Erkenntnisse den Zugang zur Geisteskrankheit tiefgreifend verändern sollten. Bislang war aus dieser Zeit nicht viel mehr allgemein bekannt, als dass Warburg vor seinen Mitpatienten den berühmten Vortrag…mehr

Produktbeschreibung
Zwischen April 1921 und August 1924 war Aby Warburg, der geniale Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler, Insasse im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen, wohin er nach einem schweren psychotischen Zusammenbruch eingewiesen worden war - er hatte gedroht, sich und seine Familie umzubringen. Leiter der psychiatrischen Heilanstalt war Ludwig Binswanger, seinerseits bedeutender Psychiater, dessen Erkenntnisse den Zugang zur Geisteskrankheit tiefgreifend verändern sollten. Bislang war aus dieser Zeit nicht viel mehr allgemein bekannt, als dass Warburg vor seinen Mitpatienten den berühmten Vortrag über das Schlangenritual der Hopi-Indianer hielt. Tatsächlich hatte er während seiner Krankheit immer wieder Phasen von geistiger Klarheit und schöpferischer Produktivität. Binswangers Krankenberichte dokumentieren Wahnvorstellungen, Aggressivität gegen das Personal, Phobien und zwanghafte Hygienerituale. Warburg, der sich selbst als »unheilbar schizoid« einschätzte, wurde erst 1924 »zur Normalität beurlaubt«.

Die hochgelobte Edition der im Universitätsarchiv Tübingen verwahrten Krankengeschichte Aby Warburgs erfüllt ein lange gehegtes Desiderat der Warburg-Forschung. Mit der nun auch auf Deutsch vorliegenden, gegenüber der italienischen um wichtige Dokumente erweiterten Ausgabe kann endlich darangegangen werden, die »Leerstelle« zwischen Werk und Psyche Warburgs zu schließen, die von seinen Biographen wie etwa Ernst Gombrich geflissentlich verschwiegen wurde.

Der Band umfasst neben den Krankenakten von der Hand Ludwig Binswangers auch die autobiographischen Aufzeichnungen Warburgs aus jener Zeit, den Briefwechsel zwischen den beiden Persönlichkeiten, Wärterprotokolle sowie Aufzeichnungen und Briefe von Warburgs Assistenten Fritz Saxl. »Die unendliche Heilung« wird zum einmaligen Zeugnis der Begegnung zweier bedeutender intellektueller Protagonisten des 20. Jahrhunderts.

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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Von dem Foto auf dem Buchumschlag lässt sich Michael Diers nicht in die Irre führen. Hier geht?s nicht um den Warburg der Vorkriegszeit, sondern um die Krankenjahre des berühmten Kunsthistorikers, ein laut Diers eher bescheiden beackertes Gebiet in der jüngeren Warburg-Literatur. Um so verdienstvoller erscheint Diers die deutsche Erstausgabe des Buches von Davide Stimilli und Chantal Marazia. Stürzt die Edition von Warburgs Krankenakte den Rezensenten auch in ein Wechselbad der Gefühle, zwischen Verstörung (über die Härte der klinischen Fakten aus dem Sanatorium Kreuzlingen) und Ermutigung (über Warburgs selbsttherapeutische Energie), so entschließt sich Diers dennoch dazu, beim Betrachten des intim Menschlichen in diesem Buch sich nicht als Voyeur zu fühlen, sondern die Person Warburg, ihre Verwurzelung im 19. Jahrhundert, ihren durch den Ersten Weltkrieg mitbedingten Wahn und ihre Heilung aufmerksam und mit Gewinn nachzuvollziehen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Die Süddeutsche Zeitung listet das Buch unter den wichtigsten aktuellen Neuerscheinungen im Bereich Sachbuch.« Alexandra Mangel, Deutschlandradio Kultur