In seinem 12. Fall muss Sebastian St. Cyr erkennen, dass einige Mitglieder der aristokratischen Oberschicht noch viel verdorbener und skrupelloser sind, als bisher angenommen. Diese Erkenntnis, die seinen Vater und seinen Schwiegervater einschließen ist zwar nicht wirklich neu, doch die Ausmaße sind
erschreckend.
Dieser historische Krimi, der im September 1813 in London spielt, beginnt mit dem…mehrIn seinem 12. Fall muss Sebastian St. Cyr erkennen, dass einige Mitglieder der aristokratischen Oberschicht noch viel verdorbener und skrupelloser sind, als bisher angenommen. Diese Erkenntnis, die seinen Vater und seinen Schwiegervater einschließen ist zwar nicht wirklich neu, doch die Ausmaße sind erschreckend.
Dieser historische Krimi, der im September 1813 in London spielt, beginnt mit dem brutalen Mord an Benji Thatcher, einem Straßenjungen. Benji ist sadistisch missbraucht und zu Tode gefoltert worden. Recht schnell entdeckt St. Cyr, dass erstens Benji nur eines von vielen Opfern ist und zweitens das Buch des französischen Dichters Marquis de Sade “120 Tage von Sodom“ eine große Rolle spielt, von dem angeblich nur fünf Stück den Weg über den Kanal gefunden haben.
Bei seinen Ermittlungen geraten einige Personen in St. Cyrs Fokus, mit denen man sich besser nicht anlegen sollte ...
Doch wie man weiß, lässt sich Sebastian St. Cyr auch von der Verwandtschaft mit dem Königshaus nicht beeindrucken, wenn es darum geht, Verbrecher unschädlich zu machen.
Meine Meinung:
Die Abgründe, in die Autorin C. S. Harris ihre Leserschaft blicken lässt, sind sehr tief. St. Cyr, inzwischen Ehemann und Vater, ist von dieser Mordserie besonders betroffen, zumal ein Verdächtiger in seine Familie einheiraten will. Doch ob der wirklich der Täter ist, erfahren wir noch nicht. Das hebt sich die Autorin vermutlich für den nächsten Band auf.
Das Setting dieser Reihe im Dunstkreis der Napoleonischen Kriege, die langsam aber sicher auf das Ende und die Entmachtung Napoleons zusteuern, fesselt für mich sehr. Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und die Spione auf beiden Seiten des Kanals haben Hochbetrieb. Eine Drehscheibe für nachrichtendienstliche Aktionen, die auch Verbrecher jeder Art beschäftigt, ist St. Cyrs Vater.
Wie schon in den elf vorherigen Bänden gelingt es der Autorin trefflich die eklatanten Standesunterschiede dieser Zeit darzustellen. Menschen außerhalb ihrer eigenen Klasse gelten der Oberschicht weniger als ein Pferd oder ein treuer Jagdhund. Sie werden benützt und anschließend sprichwörtlich weggeworfen.
Die Reihe darf daher auch als gesellschaftskritisch angesehen werden, denn zahlreiche Probleme und Missstände sind hausgemacht. Wenn man (aus Not) straffällig gewordene Frauen ohne ihre Kinder nach Australien deportiert, darf man sich nicht wundern, dass die Anzahl der unversorgt gebliebenen Kinder in die Höhe schießt. Diese Kinder sind leichte Beute jener Mitglieder der Oberschicht, die aus Langeweile und Sadismus (!) Menschen quälen und töten.
C.S. Harris’ Schreibstil ist flüssig und packend, und sie versteht es, ihre Leser bis zur letzten Seite in ihren Bann zu ziehen. Selbst die kleinsten Nebendarsteller sind sehr gut ausgearbeitet. Die historischen Details sind penibel recherchiert und gekonnt in die Handlung eingewoben.
Ein Fehler, der vermutlich der Übersetzung anzulasten ist, ist mir aufgefallen: Auf S. 106/ebook werden die Jakobiten mit den Jakobinern verwechselt.
Die Jakobiten sind Anhänger von König Jakob II aus dem (katholischen) Hause Stuart, die zwischen 1689 und 1760 gegen die protestantischen Herrschaftsansprüche in zahlreichen Aufständen, vor allem in Schottland und Irland kämpften. Der bekannteste ist jener Jakobitenaufstand von 1745, der durch das Massaker von Culloden 1746, das hier erwähnt wird, traurige Berühmtheit erlangt hat.
Die Jakobiner sind Mitglieder des gleichnamigen, politischen Klubs in Frankreich, der ursprünglich am 30. April 1789 als Bretonischer Klub, gegründet worden ist, nachdem es politische Parteien, wie wir sei heute kennen nicht gegeben hat. Der Bretonische Klub stellte seine Arbeit im August 1789 wieder ein und wurde im Dezember 1789 als Gesellschaft der Freunde der Verfassung in der Bibliothek des ehemaligen Jakobinerklosters neu gegründet, daher der Name Jakobiner. Nach der Hinrichtung von Robespierre und seinen Anhängern wird der Jakobinerklub am 12. November 1794 aufgelöst.
Fazit:
Eine historische Krimi-Reihe, die niemals langweilig ist und die Abgründe der damaligen Gesellschaft schonungslos offenbart. Gerne gebe ich wieder 5 Sterne und warte auf Band Nr. 13.