Eine bisweilen hysterische Angst vor der Religion geht bei uns um - vor muslimischen Kopftüchern, Moscheen und Minaretten, vor bibeltreuen US-Reaktionären und einem stockkonservativen Papst, vor befremdlichen Bräuchen wie der Beschneidung. Zur Furcht kommt die Ignoranz: Aus dem herrschenden Bewusstsein ist die Glaubenstradition weithin verschwunden, auch die christliche. Wir leben nicht nur in einer Gesellschaft mit wachsender Religionsfeindschaft. Wir steuern auf eine Kultur des religiösen Analphabetismus zu. Dabei ist, wie Jan Roß zeigt, die Religion ihrem Wesen nach keine Gefahr für den Menschen, sondern im Gegenteil eine Bastion der Humanität. Die Suche nach Gott hat die kühnsten Gedanken inspiriert, die Ideen von Sünde, Ewigkeit und Gewissen haben unserem Selbstverständnis Tiefe gegeben. Religion ist eine Kraft, ohne die das Leben ärmer, enger und kälter wäre. Ihr zuerst verdanken wir die Utopie von Brüderlichkeit und Gleichheit. Die pure Diesseitigkeit dagegen legt dem Menschen Fesseln an und lässt ihn verkümmern. Eine provozierende Zeitdiagnose - und ein bewegendes Plädoyer für einen neuen religiösen Humanismus.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
So lässt sich Rezensent Martin Meyer die Wiedergeburt Gottes gefallen. Als Mittel zum besseren Menschsein möchte er sie freilich nicht verstehen, doch Jan Ross bietet ihm neben missionarischer Hemdsärmeligkeit Gott sei Dank auch die "feine Ironie des Gebildeten" und den philosophischen Einwand, die den Autor vor Fundamentalismen bewahren und ihn die dunklen Seiten der Religion, namentlich des Monotheismus, nicht verschweigen lassen, wie Meyer sichtlich erleichtert feststellt. Dem Skeptizismus des Lesers sieht Meyer sanft die Spitze genommen durch Horizonterweiterungen, etwa indem Ross Gott als Humanitätsspender und Perspektiveröffner zeichnet, als Echoraum, der sagt: Du bist nicht allein.
© Perlentaucher Medien GmbH
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