Vive la sororité!
Im Nachwort beschreibt Margaret Atwood, warum sie ihn geschrieben hat. Vielleicht spoilert dieses Zitat ein wenig, aber jeder, der „Der Report der Magd“ gelesen hat, vermutet dieses Tatsache ohnehin:
„Eine Frage zum Report der Magd wurde immer wieder gestellt: Wie kam es zum
Sturz vom Gilead? Die Zeuginnen wurde als Antwort auf diese Frage geschrieben.“
Heimkehr nach…mehrVive la sororité!
Im Nachwort beschreibt Margaret Atwood, warum sie ihn geschrieben hat. Vielleicht spoilert dieses Zitat ein wenig, aber jeder, der „Der Report der Magd“ gelesen hat, vermutet dieses Tatsache ohnehin:
„Eine Frage zum Report der Magd wurde immer wieder gestellt: Wie kam es zum Sturz vom Gilead? Die Zeuginnen wurde als Antwort auf diese Frage geschrieben.“
Heimkehr nach Gilead
Tatsächlich fühlt sich das Buch ein Bisschen wie eine Heimkehr an Gilead an. Schwestern von Gilead, wir lassen euch nicht im Stich: Vive la sororité! (wie ich als Response auf meine Rezension zu „Der Report der Magd bekommen habe, die ihr hier findet.) Diesmal können wir sogar den Gedanken von gleich drei Gilead-Frauen folgen. Und auch hier ist wieder eine starke Identifikation da, die Atwood erzeugt: Während es aber bei „Der Report der Magd“ noch die mit der Magd war, die den Umschwung von der liberalen zur repressiven Gesellschaft zunächst nicht wahrhaben wollte, schafft Atwood nun bei „Die Zeuginnen“, dass ich mich mit einer sehr unkomfortablen Figur identifiziere: Mit einer derjenigen, die das System stützt, mit einer Tante.
Wie man von Opfer zur Täterin wird, das ist das Eindrucksvolle an „Die Zeuginnen“. Ich denke, die meisten von uns möchten in so einer Situation gerne Held*innen sein oder zumindest nicht zu Mitläufern verkommen. Täter*in, absolut unvorstellbar! Aber erst, wenn man das erlebt, zeigt sich, ob man zu seinen Werten steht oder einem das eigene kleine Bisschen leben nicht doch näher liegt. Oder das der Kinder, Enkel, Liebespartner.
Das ist die Stärke dieses Buches, wie wir an Tante Lydia herankommen und wir sie trotzdem noch immer verabscheuen können. Verständnis, nicht Vergebung, auch, wenn sie sich mit ihren Zeilen anderes erhoffen mag.
Drei Gilead-Frauen
Mir gefiel die klare Trennung der drei Erzählerinnenstimmen. Die Entscheidung für die klaren Embleme, die den jeweiligen Verfasserinnen vorangestellt werden. Diese Embleme sind so ikonografisch, dass sie sogar meinem 7,5-jährigen Sohn aufgefallen sind und er mich gefragt hat, was das Cover und die Icons bedeuten sollen.
Als dann alle Fäden zusammenlaufen, bekam das Ende eine Zwangsläufigkeit für mich, bei der schon fast alles zu glatt läuft. Und es wurde recht schnell abgehandelt.
Ein moralisches Dilemma wurde recht ausgeblendet, bewusst, um es drastischer zu machen, aber gleichzeitig fand ich das schade.
Vergleich zum „Report“
„Die Zeuginnen“ kann vielleicht nicht an „Der Report der Magd“ heranreichen. Aber das Buch gibt Hoffnung, wovon beim Report noch wenig zu spüren war. Hoffnung kann trügerisch sein und oftmals lassen wir uns von ihr viel zu schnell davon einlullen. Aber ganz ohne Hoffnung kann keine*r von uns gegen die Ungerechtigkeit und für eine bessere Welt kämpfen.
Daher finde ich, dass „Die Zeuginnen“ eine wichtige Aktualisierung und Ergänzung zu „Der Report der Magd“ darstellt. Leider werden Frauen sowie marginalisierte Gruppen leider immer noch mit höheren Maßstäben gemessen als Männer. Atwood wurde als Anwärterin auf den Literaturnobelpreis 2019 gehandelt, bekommen hat die Auszeichnung schließlich ein weißer alter Mann, der nicht nur eine Exfreundin misshandelt hat, sich lachend am Ort eines Massakers fotografieren ließ, sondern auch noch mit den rechtsradikalen Kräften Europas auf Du-und-Du steht. Da möchte ich dann einfach nicht mehr so einen Vorwurf hören, dass eine Autorin wie Atwood zu zahm sei, wie ich es im Feuilleton gelesen habe. Denn sie bleibt schmerzhaft, erst recht, wenn sie erzählt, dass Revolutionen auch gerne mal ihre Töchter fressen.
Fazit
Atwood gibt hier Hoffnung, wovon in „Der Report der Magd“ noch nichts zu spüren war. Wir brauchen Hoffnung, gerade, wenn die Zustände vielerorts beängstigender werden. Ich vergebe eine Leseempfehlung und runde meine 4,5 Sterne auf 5 auf.