Die NATO kann den neuen Bedrohungen wenig entgegensetzen. Für den Kampf um Ressourcen und für asymmetrische Konflikte, für die Abwehr von Cyber-Attacken und die sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels hat das einst erfolgreichste Bündnis der Militärgeschichte noch keine Strategie gefunden. Der Verlust des Feindbilds nach dem Ende des Ost-West-Konflikts hat die NATO verunsichert, der 'Krieg gegen den Terrorismus' stellt sie auf eine harte Probe.Die NATO muss ihren Auftrag neu definieren: Ist sie ein reines Verteidigungsbündnis oder die militärische Reserve der Vereinten Nationen? Soll sie eingreifen, wo immer westliche Werte bedroht scheinen?Theo Sommer, einer der renommiertesten Journalisten Deutschlands, findet Antworten: Das Bündnis muss politischer und europäischer werden. Es gilt, die militärische Seite zu verschlanken. Und: Die NATO gewinnt nichts, wenn sie sich zum weltumspannenden Bündnis überdehnt. Zukunft hat sie als Allianz, in der Europa und Amerika auf Augenhöhe zusammenwirken.
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Theo Sommer regt eine Reform der Nato an
In Anlehnung an Helmut Schmidt ist auch für Theo Sommer die Nato in ihrer derzeitigen Gestalt eine "Riesenkrake von Bürokratie", die aus sich selbst heraus zu keiner wirklichen Reform mehr fähig ist. Dabei hat sich die Bürokratie des Bündnisses seit 1990 drei strukturellen Verkleinerungen unterzogen, sich personell sogar fast halbiert. Jedoch vermochten es die Veränderungen des "Strategischen Konzepts" von 1991, 1999 und 2010 nicht, die künftige Rolle der Nato überzeugender zu fassen. Soll sie für die Friedenssicherung weltweit als "global cop", als Welt-Gendarm, als Hilfsorgan der UN agieren? Oder soll sie sich nur dann in deren Dienst stellen, wenn es den eigenen Interessen dient? Führten Einsätze "out of area" das Bündnis nicht "out of business", fragt Sommer.
Der einleitende Rückblick belegt noch einmal, dass die Nato der massiven und direkten Bedrohung im Kalten Krieg erfolgreich einen Schutzschild entgegenhielt und so schließlich einen Sieg ohne Krieg feiern konnte. Doch zwingen die Erfahrungen der Einsätze von Somalia bis Afghanistan alle Mitgliedstaaten zum Überdenken der Rolle des Bündnisses. Allerdings habe der Krieg gegen Gaddafi gezeigt: "Ohne die USA können die Europäer nur stümpern, aber nicht viel ausrichten." Wenn Europa künftig mehr sein wolle als ein bloßes Anhängsel, ein Erfüllungsgehilfe und ein wohlfeiles Rekrutenreservoir für die Vereinigten Staaten, so müsse es sich sicherheitspolitisch endlich auf gleiche Augenhöhe mit dem nordamerikanischen Bündnispartner bringen. Eine Verwirklichung der Absichtserklärungen zu "smart defense" sowie eine stärkere Berücksichtigung der "soft power"-Diplomatie als Ergänzung der "hard power" könnten hierzu beitragen. Solche Anregungen liegen auf der Linie von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), der betont, dass eine Stärkung der europäischen militärischen Fähigkeiten eben nicht nur der EU, sondern ebenfalls der Nato zugutekomme. Sommer fordert darüber hinaus noch die Einsetzung eines internationalen "Rats der Weisen". Dieser solle sich mit den Fragen befassen, die über das Blick- und Aktionsfeld von Militärs und Botschaftern hinausreichten. Besetzt mit angesehenen, erfahrenen, politisch gewichtigen Frauen und Männern, könnte er der Nato den Weg in die Zukunft vorzeichnen. Gewiss würde Sommer es nicht ablehnen, selbst einem solchen Rat anzugehören.
REINER POMMERIN
Theo Sommer: Diese NATO hat ausgedient. Das Bündnis muss europäischer werden. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2012. 130 S., 10,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Kurz und mit zwiespältigem Resümee bespricht Rezensent Martin Winter dies neue Buch des Zeit-Herausgebers Theo Sommer, der übrigens anno dunnemals, wie man vom Rezensenten erfährt, Planungschef unter Verteidigungsminister Helmut Schmidt war und darum offenbar stets noch einiges von der Materie versteht. Die Nato hat nach dem Mauerfall ihr Profil verloren, darin ist sich Winter mit Sommer einig - ob er auch findet, dass die Nato noch eine wirkliche Daseinsberechtigung hat, wie Sommer meint, lässt Winter (hübsche Koinzidenz der Namen!) in der Kritik offen. Sommer wünsche einen stärkeren europäischen Pfeiler in der Nato. Winter zweifelt. Allzu divergierend seien Politikverständnis und Interessen der Nato-Partnerstaaten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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