Die Sowjetunion ist weg, Punk ist Retrochic, die RAF Kunstgeschichte, Vernunft eine Sache von Anlageberatern, nur die alten Fragen bleiben die gleichen: Wie funktioniert Leben? Wie sollen wir leben? Und wer entscheidet darüber: Wissenschaft, Religion, Kunst, Politik? David Daleks Freunde - eine Künstlerin, ein Computerprogrammierer, ein Psychiater, eine Kranke, eine Biochemikerin und eine Hausfrau - haben die typischen Probleme von Mittdreißigern, deren Eltern eine verbindliche Antwort schuldig geblieben sind. David, Schriftsteller und Journalist im Brotberuf, hat vor allem ein Problem: Wie beschreibt man ein Leben? Genauer: Wie schreibt man einen Roman über einen, der um die Vorläufigkeit aller Weltentwürfe wußte und doch der Wahrheit so nahe kam, wie ein Mensch nur kann? Dirac erzählt von Davids Suche nach der Wahrheit über Paul Dirac (1902-1984), den großen Unbekannten der modernen Physik. Vor den Augen des Lesers nimmt die Geschichte dieses außergewöhnlichen Wissenschaftlers und Menschen Gestalt an und entwickelt dabei eine Kraft, die durchschlägt bis in die Gegenwart und die Welt der Romanfiguren verwandelt: Ein Kind, eine Ausstellung, ein Grabstein, ein Buch sind konkrete Antworten auf die Fragen des Alltags; im Meer der Zeichen formieren sie sich zur Allegorie des Lebens in der Moderne. Dietmar Dath jagt Elemente aus Wissenschaftsgeschichte und Pop, biographischer Literatur und Science-fiction so lange durch den Teilchenbeschleuniger, bis sie in der Kollision ihre poetische Energie freisetzen. Ergebnis des Experiments: ein im Sinne des Wortes phantastisches Buch.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensent Ulrich Greiner schüttelt den Kopf: dieses ambitionierte Werk ist ein "gewaltiger, wenngleich recht hübscher Bluff". Im Mittelpunkt stehe der Titelheld und Physiknobelpreisträger Paul Dirac. Der Roman hat drei Zeitebenen: unsere Gegenwart, die siebziger Jahre und schließlich die in den dreißiger Jahren liegende erste Erwachsenenzeit Diracs. So recht kann uns der Rezensent den Roman nicht verständlich machen. Immerhin scheinen Daths literarische Bemühungen aus Sicht des Rezensenten in Richtung Auflösung aller Zeitebenen zu führen. Allerdings sieht es so aus, als diese seien Bemühungen nicht von besonderem Erfolg gekrönt. Zwar unterstreicht Greiner immer wieder Verständnis für das Anliegen des Autors, nämlich Literatur und Wissenschaft zu versöhnen und einen gemeinsamen "Königsweg" der Erkenntnis zu finden. Allerdings fehlt Dath aus seiner Sicht eine, für dieses Vorhaben ziemlich unabkömmliche "Schärfe des Gedankens". Da helfen auch Daths vielen Einfälle und seine "aufgeräumte" und "kolloquiale" Sprache nicht viel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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