Die erste umfassende Monografie des aus Bosnien stammenden, seit 1992 in Berlin wirkenden Fotografen Nihad Nino Pusija umspannt unter der titelgebenden Gedichtzeile von Miller Williams ein mehr als 30-jähriges Schaffen. Lith Bahlmann und Matthias Reichelt haben die Aufnahmen zu einem beunruhigenden Bilderstrom komponiert, der mit den Erinnerungen an das friedliche Miteinander unterschiedlicher Ethnien und Religionen im einstigen Jugoslawien beginnt und nur zu bald in die Abgründe eines mörderischen Krieges und seiner bis heute anhaltenden Wirkungen führt. Durch das Buch zieht sich ein roter - und keineswegs nur metaphorisch blutroter - Faden.Das Buch ist die letzte Veröffentlichung, die der international hoch angesehene Berliner Fotobuchverleger und -buchhändler Hannes Wanderer noch selbst betreut hat, bevor er unerwartet am 9. September 2018 in Berlin verstarb. Unter dem Namen "Peperoni Books" gedruckt, setzt es den Schlusspunkt unter ein außergewöhnliches Leben im Dienste der Fotografie. Der Lehmstedt Verlag, der mit Peperoni, 25books und Hannes Wanderer stets freundschaftlich verbunden war, ist stolz, THE LAST BOOK OF PEPERONI verbreiten zu dürfen und die großartigen Fotografien von Nihad Nino Pusija einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.
Als Nihad Nino Pusija 1965 in Sarajevo zur Welt kam, schienen die Ethnien und Religionen eines Vielvölkergemischs noch unter dem Namen Jugoslawien friedlich vereint. Um welches Pulverfass es sich in Wirklichkeit handelte, war dreißig Jahre später nicht mehr zu übersehen. Bürgerkrieg, Krieg und Kriegsverbrechen wurden begleitet von Vertreibung und endlosen Flüchtlingsströmen. Bis heute sind die Wunden in den Städten nicht restlos verheilt, und bis heute scheinen die Menschen nicht das wiedergefunden zu haben, was anderswo als Normalität bezeichnet wird. Stattdessen herrscht Unruhe in der Region - und damit Unsicherheit.
Die Bilder, die Nihad Nino Pusija in den vergangenen dreißig Jahren aufgenommen hat, folgen einer Spur des Leids von Bosnien und Hercegovina, Serbien und Kroatien, dem Kosovo, Rumänien und Ungarn nach Rom und Paris, vor allem nach Berlin. Entstanden ist ein vielschichtiges Werk, das mit Präzision die Einschusslöcher in Gebäuden dokumentiert und mit Empathie Menschen beobachtet, denen das Erlebte ins Gesicht geschrieben steht. In religiösem Eifer oder hemmungslos ausgelebter Sexualität suchen sie ihren Frieden. Von Verzückung allerdings ist in den vielen Gesichtern dieses großartigen Bildbands nichts zu sehen - vielmehr schaut einem die pure Ratlosigkeit entgegen. (F.L.)
"Down There Where the Spirit meets the Bone" von Nihad Nino Pusija. Peperoni Books, Berlin 2018 (im Vertrieb des Lehmstedt Verlags). 296 Seiten, 196 Fotografien. Gebunden, 38 Euro.
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"In dem Band führt eine Fotografie gleich zur nächsten, und jede zieht den Blick in sich hinein: Ausschnitte aus dem Alltag - unwichtig im Moment und bedeutend im Rückblick. Sie archivieren die Geschichte aus dem Blick der Beteiligten. Pusijas Werk ist ein Spiegel der Entwicklungen seit Ende der 1980er Jahre: laute wie Bürgerkriege und Genozide, aber auch leisere wie Duldungsparagraphen und Deportationen. So schafft er auch visuelle Verbindungen in die Gegenwart: zu Abschiebungen, Vertreibungen und Ausgrenzungen." (Samuela Nickel, Neues Deutschland, 19. Februar 2019)