Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 11,90 €
  • Gebundenes Buch

Im Osten keine Heimat
Gita muss in ihrem Leben durch mehrere Höllen gehen: von den Nazis als Jüdin gequält, von den Tschechen als Kollaborateurin vertrieben, schließlich von den ehemaligen Nachbarn als habgierige Alte abgestempelt, als sie den Familienbesitz zurückfordert. Doch trotz aller körperlicher und emotionaler Wunden führt Gita den Kampf gegen Unrecht und für Verständigung weiter. Ebenso kompromisslos wie ergreifend schildert dieser preisgekrönte Roman die menschliche Seite der unmenschlichen Geschichte.
Gita will nur nach Hause, sich unter der warmen, weichen Zudecke
…mehr

Produktbeschreibung
Im Osten keine Heimat

Gita muss in ihrem Leben durch mehrere Höllen gehen: von den Nazis als Jüdin gequält, von den Tschechen als Kollaborateurin vertrieben, schließlich von den ehemaligen Nachbarn als habgierige Alte abgestempelt, als sie den Familienbesitz zurückfordert. Doch trotz aller körperlicher und emotionaler Wunden führt Gita den Kampf gegen Unrecht und für Verständigung weiter. Ebenso kompromisslos wie ergreifend schildert dieser preisgekrönte Roman die menschliche Seite der unmenschlichen Geschichte.

Gita will nur nach Hause, sich unter der warmen, weichen Zudecke verkriechen, den geliebten Geruch der Villa in sich aufnehmen. Doch die Realität sieht anders aus, als die Sechzehnjährige 1945 aus dem Konzentrationslager zurück in ihr Heimatdorf, das tschechische Puklice, kommt. Der Familienbesitz wurde konfisziert, Fremde leben jetzt dort, und die Deutschsprachige wird als Staatsfeindin verjagt. Erst sechzig Jahre später kehrt Gita zurück, um die Familie zurehabilitieren. Und wieder schlägt ihr als ehemalige Großgrundbesitzerin der Hass der Dorfbewohner entgegen. Doch längst ist für Gita Weiterleben zur Kampfansage gegen Gewalt und Lüge geworden. Mutig, mit sehr plastischen, unter die Haut gehenden Bildern und mit enormer Sprachmacht wagt dieser kompromisslose Roman, für den die Autorin mit dem bedeutendsten tschechischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde, einen Blick auf die verdrängte deutsch-tschechische Nachkriegsgeschichte.

Autorenporträt
Radka Denemarková, geboren 1968, studierte Germanistik und Bohemistik in Prag, wo sie 1997 promovierte. Sie unterrichtet am Institut für tschechische Literatur in Prag, übersetzt aus dem Deutschen und arbeitet als freie Journalistin. 2011 wurde Radka Denemarková mit dem "Usedomer Literaturpreis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.2010

Das Dorf und die Deutsche
Mit physiologischer Präzision: Radka Denemarková sucht Leichen im böhmischen Idyll

Der wechselvollen böhmischen Geschichte ist nicht allein mit Anmut und Friedfertigkeit beizukommen, grünen Hügeln, Dorfkirchen und blauen Wolken, vor allem nicht, wenn die Okkupationszeit, das Protektorat, und die Ereignisse von 1945 bis 1948, Vertreibung und Enteignung, auch die nach dem kommunistischen Putsch, zur Frage stehen. Der Patriotismus der einen wie der anderen baut seine Barrikaden und Mauern, die den Blick verstellen, und die amtlich schematischen Schwarzweißperspektiven von Schuld und Unschuld suchen sich anstelle von Tragik, Lächerlichkeit, Lüge und unerwarteter Humanität festzusetzen.

Die einundvierzigjährige Prager Schriftstellerin Radka Denemarková darf den berechtigten Anspruch erheben, die Frage nach der chaotischen Realität gernvergessener Ereignisse erneut zu stellen, selbst auf die Gefahr hin, ihre Leserschaft durch den Wechsel von Kühle und Wut, Komik und Sachlichkeit abzuschrecken. Sie sagte selbst in einem Interview, dass sie in ihrem Roman "Ein herrlicher Flecken Erde" (tschechischer Originaltitel: Geld von Hitler) nach den Leichen im Keller gräbt, aber sie findet sie auch unter den Apfelbäumen im idyllischen Garten und anderswo.

Radka Denemarková ist keine Amateurin; sie hat an der Prager Universität Slawistik und Germanistik studiert, arbeitete an der tschechischen Akademie der Wissenschaften, schrieb Essays über bedeutende Regisseure des Prager Theaters und praktizierte an einer Avantgardebühne. In ihrem (zweiten) Roman "Ein herrlicher Flecken Erde" (in ihrer Heimat mit dem hochangesehenen Preis Magnesia Litera ausgezeichnet) ist es mit den beruhigten epischen Traditionen des neunzehnten Jahrhunderts endgültig vorbei, denn sie kombiniert wechselnde Erzählebenen mit einer ungewöhnlichen Sprache der sinnlichen Präsenz, die Aufmerksamkeit und Mitarbeit fordern.

Der Roman berichtet von der Rückkehr der sechzehnjährigen Gita Lauschmannová aus einem deutschen Konzentrationslager. Gita, "ein kindisches Bündel aus Haut und Knochen", hat ihre jüdische Familie, Vater, Mutter und ihre ältere Schwester, überlebt, und da man in der Familie Deutsch zu sprechen pflegte, hat das tschechische Dorf die Güter der Familie, die Villa, die Brennerei, die Felder und die anderen Betriebe, rasch und unter Berufung auf die Benes-Dekrete in Beschlag genommen. Gita weiß nicht einmal, dass man ihren Bruder, der vor ihr aus dem KZ ins Dorf zurückkehrte, als "Deutschen" tötete und seinen Leichnam verscharrte (sie glaubt, ihr Bruder suche die Freiheit in der weiten Welt). Die neuen Machthaber im Dorf wollen sie aus der Welt schaffen, und sie überlebt nur, weil eine schwangere Frau sie allnächtlich und insgeheim mit Brot und Wasser nährt und weil sie in einem Sammellager für Deutsche, die ausgesiedelt werden, einem gewissenhaften Lagerkommandanten über den Weg läuft, der ihr wieder den Weg zu ihrer tschechischen Prager Tante öffnet, die für sie sorgt.

Gita hat ein unauslöschliches Gerechtigkeitsgefühl und kehrt, nachdem die Gerichte in einem langwierigen Verfahren ihre jüdische Familie rehabilitiert haben, im Sommer 2005 als Frau von 76 Jahren ins Dorf zurück - um auf den Widerstand der jüngeren Generation zu stoßen, die sich plötzlich des Argumentes bedient, sie sei juristisch nicht zurechnungsfähig, weil sie einmal, nach dem tragischen Scheitern ihrer ersten Ehe, Patientin einer psychiatrischen Anstalt war (gegen ihre eigenen Verdrängungen ankämpfend, muss sie sich selbst eingestehen, was damals geschehen war, ihre Vergewaltigung durch drei junge Leute, ihr viermonatiger Sohn getötet, der sich anschließende Selbstmord ihres Gatten). Das Dorf glaubt ihr nicht, als sie erklärt, dass sie nicht gekommen ist, um Retribution zu fordern, sondern nur, um ihrem Vater ein Denkmal zu errichten, und obgleich sich der Arzt, der dem Gemeinderat die Dokumente der psychiatrischen Anstalt übermittelt hat (ein Bruch seiner Schweigepflicht), reuevoll auf ihre Seite schlägt, flüchtet sie wieder in ihre Prager Wohnung, um ihre Geschichte von Anfang an niederzuschreiben. Sie stirbt über den Papieren.

Die Erzählerin kontrastiert Gitas heroische und melancholische Versuche, den Bürgermeister des Dorfes von ihren Rechtsansprüchen zu überzeugen, mit Szenen aus dem banalen oder gar grotesken Alltag des Dorfes, den Reklameaktionen des Kolonialwarenladens, den die betriebsame Eigentümerin in einem Raum der beschlagnahmten Villa angesiedelt hat, der Freude des Dorfpfarrers über ein Autogramm eines bekannten Fernsehstars, der im Dorf sein Wochenendhaus hat, oder dem Chorus der Frauen, die sich alle gegen Gita wenden, einschließlich der Postbotin, die sich eines antiquarischen Fernglases bedient, um ja genau zu wissen, was hinter den Fenstern vor sich geht.

Ich lese diesen Roman als älterer Zeitgenosse, und mir fällt auf, wie wenig Interesse Radka Denemarková an didaktischen Geschichtsbegriffen und den soziologischen Umständen der jüngeren tschechischen Geschichte bezeugt (auch nicht an den parteipolitischen Umständen von 1945, als die Kommunisten noch gegen die Reste der nationalen Sozialisten und der katholischen Volksparteiler Front machten, auch in den mittelböhmischen Dörfern). Deutlich zeigt sich, dass Radka Denemarková, die Dramaturgin, die sich mit Brecht und Bernhard beschäftigte, eigentlich vom Theater herkommt, denn sie liebt die unmittelbare szenische Gegenwart, nicht die distanzierte epische Mitvergangenheit.

Es geht ihr darum, und mit geradezu physiologischer Präzision, die Qualitäten eines spezifischen Augenblicks und die schmerzlichen Körpergefühle Gitas festzuhalten. Schon in der ersten Zeile des Romans besteht die Autorin darauf, dass eine Schaufel "grün" und "spitz zulaufend" in den Händen eines Kindes liegt, in einer Abstellkammer steht "eine hellgrüne Anrichte mit gläsernen Schiebetüren und ausgebrochenen Schubladen ohne Griffe". Gita gibt sich ihren wiederkehrenden Kopfschmerzen geradezu lyrisch hin: "mein Kopf wuchert in die Höhe des halb vermodernden Nussbaums ... mein Hals wird länger und dünner. Ein Riesenleuchtturm wächst in die Höhe, befestigt an einem dünnen Seil. Mein Kopf verschattet den Mond und die Sterne, die Welt wird noch dunkler."

Ein politischer Roman? Weniger und zugleich viel mehr, denn die Erzählerin lässt sich nicht auf längst abgebrauchte Konventionen ein, so oder so, provoziert durch Erzählstruktur und Sprache, und ihre erprobte Übersetzerin Eva Profousová darf zeigen, was sie kann. Radka Denemarková sucht die Wahrheit über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit mit Händen zu greifen, im wahrsten Sinn, als ob sie eine Bildhauerin wäre, die mit Felsbrocken arbeitet und nicht mit bloßen Texten.

PETER DEMETZ.

Radka Denemarková: "Ein herrlicher Flecken Erde". Roman. Aus dem Tschechischen von Eva Profousová. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009. 294 S., geb., 21,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Radka Denemarková nimmt sich ihres Themas mit großer Leidenschaft und Kraft an. Ein starkes Buch." -- Neue Zürcher Zeitung

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein beeindruckter Peter Demetz stellt Radka Denemarkovas zweiten, bereits mit dem renommierten tschechischen Literaturpreis Magnesia Litera ausgezeichneten Roman "Ein herrlicher Flecken Erde" vor. Die Autorin bewegt sich in ihrer Geschichte um die junge, aus dem Konzentrationslager in ihr böhmisches Dorf zurückkehrende Gita, die, einst von den Dorfbewohnern verjagt, nach 60 Jahren wiederkommt und abermals auf Hass und Ablehnung stößt, abseits von eindeutigen Antworten auf Fragen nach "Schuld und Unschuld", stellt der Rezensent gefesselt fest. Denemarkova fordere ihren Lesern mit wechselnden Erzählebenen und ihrer originellen Sprache, mit der sie ein besonderes Augenmerk auf die sinnlichen Wahrnehmungen ihrer Protagonisten lege, einiges an Lektüremühen und Konzentration ab, so Demetz. Mit ihrem Buch ist ihr in seinen Augen viel mehr als nur ein "politischer Roman" gelungen, der, inhaltlich und stilistisch provokant, nicht in konventionellen Urteilen stecken bleibt und sich unerschrocken auf die Suche nach der "Wahrheit über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit" macht, so der Rezensent fasziniert.

© Perlentaucher Medien GmbH