Das Buch beschreibt reale und bibliophile Begegnungen mit Emile Cioran (1911-1994). Als Einleitung liest man die Schilderung eines wohl halb zufälligen Zusammentreffens mit dem in Rumänien geborenen Philosophen und Schriftsteller, der seit 1937 in Frankreich, zuletzt in Paris lebte. Ciorans
Ausdrucksform war vornehmlich der skeptische und ironische Aphorismus; philosophische Systeme waren ihm…mehrDas Buch beschreibt reale und bibliophile Begegnungen mit Emile Cioran (1911-1994). Als Einleitung liest man die Schilderung eines wohl halb zufälligen Zusammentreffens mit dem in Rumänien geborenen Philosophen und Schriftsteller, der seit 1937 in Frankreich, zuletzt in Paris lebte. Ciorans Ausdrucksform war vornehmlich der skeptische und ironische Aphorismus; philosophische Systeme waren ihm zuwider. Er strebte eher danach, den Leser zu irritieren; Verständnis sei für ihn das Schlimmste gewesen, was einem Autor widerfahren könnte. Stölzel findet viele Zitate und Anekdoten, die Ciorans grundstürzende Widersprüchlichkeit illustrieren; er wird als ein »Held des Schwankens«, ein »Fanatiker ohne Credo«, als intelligenter Provokateur tituliert. Cioran ist nicht zu fassen, er ist seinem eigenen Glauben treu und untreu zugleich.
Zwar versucht Stölzel seine Eindrücke unter den vier Kapitelüberschriften »Skepsis als Gewißheit«, »Ausgerenkte Gewißheiten«, »Vervielfältigter Sinn« und »Säulenheiliger ohne Säule« zu ordnen; aber da es angesichts des unerbittlichen Skeptizismus des »Feuerkopfes« Cioran nichts zu systematisieren gibt, bescheidet sich Stölzel ebenfalls mit geistreichen Pointen und Gedankensplittern, der Benennung von Paradoxien und vielen Fragesätzen; was zwar den Text eingängig lesbar macht, jedoch nicht unbedingt zur Klärung beiträgt. Cioran, Pessimist und Possenreißer, changierte zwischen Mythos und Mode, seine ironische Skepsis mündete zuweilen im Kitsch. Er war ein intellektueller Hofnarr des 20. Jahrhunderts.
Man kann Stölzel nicht vorwerfen, daß er sich umstandslos seinem Gesprächspartner angleicht, zumal er dessen Egomanie, Wortschäumerei und Größenwahn despektierlich erwähnt. Aber was soll man von Cioran lernen, wenn man auch noch seine frühe Affinität zur faschistischen Ideologie und seine erschreckende Misogynie bedenkt? Eine kritische Reflexion über die Gründe für Ciorans intellektuelle Entwicklung und seine anti-ideologische Attitüde hätten dem Essay-Band jedenfalls gut getan. Die Lektüre von Stölzels »Versuch« erspart immerhin, sich noch eingehender mit Cioran zu beschäftigen; Zyniker gibt es in unserer Gesellschaft bereits genug, man muss nicht noch Wasser auf ihre Mühlen leiten.