Der zwölfbändige Zyklus "Ein Tanz zur Musik der Zeit" - aufgrund seiner inhaltlichen wie formalen Gestaltung immer wieder mit Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" verglichen - gilt als das Hauptwerk des britischen Schriftstellers Anthony Powell und gehört zu den bedeutendsten Romanwerken des 20. Jahrhunderts. Inspiriert von dem gleichnamigen Bild des französischen Barockmalers Nicolas Poussin, zeichnet der Zyklus ein facettenreiches Bild der englischen Upperclass vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die späten sechziger Jahre. Aus der Perspektive des mit typisch britischem Humor und Understatement ausgestatteten Ich-Erzählers Jenkins - der durch so manche biografische Parallele wie Powells Alter Ego anmutet - bietet der "Tanz" eine Fülle von Figuren, Ereignissen, Beobachtungen und Erinnerungen, die einen einzigartigen und aufschlussreichen Einblick geben in die Gedankenwelt der in England nach wie vor tonangebenden Gesellschaftsschicht mit ihren durchaus merkwürdigen Lebensgewohnheiten. So eröffnet Powell seinen "Tanz" in dem Band "Eine Frage der Erziehung" mit Szenen der Jugend: Jenkins in der Abschlussklasse des College, während eines Sprachaufenthalts in Frankreich sowie beim Five O' Clock Tea seines Universitätsprofessors. Jahre später sehen wir ihn im zweiten Teil, "Tendenz: steigend", auf Bällen und Partys der Oberklasse, aber auch der Boheme, wo er neue und immer wieder alte Bekannte trifft - sowie erste Liebschaften erlebt. Geheimnisvolle spiritistische Sitzungen und Dinnerpartys kennzeichnen den dritten Teil, "Die Welt des Wechsels", bis im vierten, "Bei Lady Molly", der Erzähler während eines Wochenendaufenthalts ein Schloss besucht, wo er seine zukünftige Frau kennenlernt. Der historische Hintergrund, die Jahre zwischen 1921 und 1934, scheint dabei immer wieder überraschend schlaglichtartig auf.In deutscher Sprache ist Powells "Tanz" recht unbekannt geblieben, mangelte es doch bisher an einer Übersetzung des gesamten Zyklus.Drei Anläufe hat es in der Vergangenheit gegeben, alle scheiterten. Die hier vorgestellte Ausgabe startete im Oktober 2015 mit den Bänden 1 bis 4. Sie basiert auf den in den 80er Jahren von Heinz Feldmann (geb. 1935) angefertigten und neu durchgesehenen ersten drei Teilen. Bisher sind acht Bände erschienen. Die Bände 9 bis 12 werden in halbjährlichem Rhythmus bis Herbst 2018 erscheinen - aus der Feder desselben Übersetzers, über den Anthony Powell in seinem Tagebuch vermerkte: "I am lucky to have him as a translator."
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Anthony Powell war vom Scheitel bis zur Sohle ein englischer Tory, stellt Andreas Isenschmid klar. Seine Romane sind nichts anderes als in Fiktion verwandelte Upperclass-Memoiren, im Tode einer anekdotischen, spitz-ironischen Club-Konversation, ohne erkennbare Handlung. Und Isenschmid liebt das: Schlichtweg großartig, unwiderstehlich findet er die Romane um den Internatszögling Nick Jenkins, der im Laufe der zehn Bände von Hunderten von Figuren erzählt, denen er auf Parties, bei Abendessen oder Ausflügen aufs Land begegnet ist. Was den Rezensenten neben dem minimalistischen Stil besonders für Powell einnimmt, ist sein von grenzenloser Neugier angetriebener Geist, der viel wissen wolle, gern auch das Seltsame und Exzentrische, aber eben nicht alles. Er kann auch Dinge sein lassen. Vor allem den Liebhabern langer Romanreisen kann Isenschmid das Werk empfehlen: Als Geschichtsschreibung besser als Balzac, weniger überfrachtet als Proust und natürlich lange nicht so exhibitionistisch wie Knausgard. Ausdrücklich lobt Andreas Isenschmid den Wagemut des Verlegers Ingo Drzecnik, der die ersten vier von zehn Bänden gestemmt hat, sowie die elegante Übersetzung Heinz Feldmanns.
© Perlentaucher Medien GmbH
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