Realität und traumhafte Fiktion
Anne Serre. Eine französische Autorin mit diesem besonderen Sprachklang. Begeisternd. Inspirierend. Sinnlich. Dunkel. Eine wunderbare Schreibe. Sie hatte mich schon mit ihren beiden Vorgängern, die im wunderbaren Berenberg-Verlag erschienen sind, völlig zu
Höhenflügen gebracht. Das erste Buch, welches ich von ihr gelesen hatte, war 2022 das wunderschöne „Im…mehrRealität und traumhafte Fiktion
Anne Serre. Eine französische Autorin mit diesem besonderen Sprachklang. Begeisternd. Inspirierend. Sinnlich. Dunkel. Eine wunderbare Schreibe. Sie hatte mich schon mit ihren beiden Vorgängern, die im wunderbaren Berenberg-Verlag erschienen sind, völlig zu Höhenflügen gebracht. Das erste Buch, welches ich von ihr gelesen hatte, war 2022 das wunderschöne „Im Herzen eines goldenen Sommers“. Kein Roman, nein, „Im Herzen eines goldenen Sommers“ versammelt Kurzgeschichten. Nun stehe ich Kurzgeschichten etwas skeptisch gegenüber, weil ich einem Roman einfach mehr Intensität beimesse. Denn in einem Roman wird eine Geschichte erzählt, die mich während der Lektüre einnimmt, mich im besten Fall anzündet, mich mitfiebern lässt, mich vielleicht sogar auf den letzten Seiten traurig werden lässt, da das Ende naht und ich in diesem Tanz mit den Wörtern zum Ende komme. Kurzgeschichten hingegen entfalten einen kurzen Zauber, der schnell endet, manchmal zu schnell und es gibt die Frage, ob mich die nächstfolgende Kurzgeschichte genauso verzaubern kann, ob sie mich genauso erreicht. Mittlerweile habe ich aber einige Bücher gelesen, die mich genauso in ihren Bann zogen, wie das ein Roman vermag. So geschehen auch bei „Im Herzen eines goldenen Sommers“. Anne Serre machte mich in diesem Buch glücklich. Einerseits weil mir der Sprachklang sehr gefiel, andererseits weil diese Kurzgeschichten Verbindungen aufwiesen, die in Richtung Episodenroman deuten, dann wieder dieses traumhafte, irgendwie schwebende in der Schreibe. Kurz, ich war begeistert, angezündet, wollte mehr von Anne Serre. 2023 kam dann dieses Mehr in Gestalt der Erzählung „Die Gouvernanten“. Wieder ist dieses traumhafte, schwebende in der Erzählung zu finden, auch etwas surreales, märchenhaftes schwingt hier mit und auch eine dunkle Sinnlichkeit. Ich entbrenne förmlich für diese Gouvernanten, Jägerinnen mit einer dunklen Kraft, die den Blick auf das Weibliche in völlig andere Bahnen lenken und damit liefert dieses Buch auch eine gewisse Kritik am Hier und Jetzt. Mein Hunger nach mehr von Anne Serre wuchs. Und nun dieses Jahr konnte er gestillt werden. Mit dem Buch „Einer reist mit“. Wieder völlig anders konstruiert. Diesmal ist es eine Art Essay, es ist dem Reisen gewidmet, dem die Schriften erstellende Zunft nun einmal frönt, dem sie frönen muss. Denn da gibt es Besuche der Verlage, Besuche von Literaturfestivals, Besuche von Lesungen etc.. Was passiert auf diesen Reisen? Vielleicht nicht viel. Aber vielleicht auch das Gegenteil. Denn die Fantasie des Autors/der Autorin ist auf diesen Reisen mit von der Partie. Und so kann aus einer vielleicht banalen Reise durchaus etwas anderes werden, was Anne Serre hier durchaus bezaubernd zu beschreiben weiß. „Einer reist mit“ ist eine Art Essay über das Reisen, ein Essay über die Literatur, eine Hommage an einen Lieblingsschriftsteller, der auch über die Kraft der Fantasie mitwirkt auf der Reise. Anne Serre sinniert über sich selbst, über das Gestern und das Heute, über ihre Umgebung, über ihr Werden und über das Vielleicht. Und Anne Serre lässt auch das Surreale einwirken, lässt Enrique Vila-Matas auf der Reise und im Hotel auftauchen, wie auch eine Schauspielerin ihren Auftritt hat, die berühmte Anna Magnani. Reales und Surreales werden fein verwoben und die Leserschaft darf diesem realen Traum beiwohnen und dessen Zauber genießen. Einfach wunderschön!
Gegliedert ist „Einer reist mit“ in drei Teile, der erste Teil ist ein Essay über das Reisen, ein Blick auf das eigene Tun Anne Serres, dennoch ist reales und surreales miteinander verwoben, so dass kein reines Essay hier zu finden ist. Der zweite Teil ist eine Geschichte um den Schriftsteller Enrique Vila-Matas. Der dritte Teil ist dann wieder eine Reise zu Anne Serre selbst und ihrem Tun.
Ein wunderschön verwobenes Buch, in dem Reales und Surreales miteinander um ihren Platz ringen und die Leserschaft mitreist, verzaubert und bezaubert von dem Blick von Anne Serre. Ebenso bezaubert hier irgendwie auch die auftauchende Frage, was hier real und was hier surreal ist. Doch welchen Nutzen hätte dies? Für mich zählt die wunderschöne literarische Reise, die ich immer wieder durch Anne Serre erleben durfte. Ich war und bin begeistert von Anne Serre und ich sage Danke für die großartige Übersetzung von Patricia Klobusiczky, die dieses Erleben von Anne Serre erst möglich gemacht hat.
Sehr traurig macht mich die Entscheidung des Berenberg-Verlags! Ich werde diese wirklich wunderschön gestalteten Bücher des Berenberg Verlags vermissen. Und diese drei hier werde ich hüten, wie es Schätzen einfach gebührt.
Dennoch hoffe ich einfach darauf, dass mir auch weitere Bücher von Anne Serre vor die Nase hüpfen werden. Sehr! ❤