Unternehmensberatung, eine bisweilen wundersam anmutende Mischung aus beinharter Rationalisierung, Esoterik und Zukunftsvision, kommt immer dann zum Einsatz, wenn wirtschaftliche Strukturen aus dem Gleichgewicht zu geraten drohen. Was es eigentlich heißt, sich beraten zu lassen, welche Medien dabei eine Rolle spielen und wie die Branche der Unternehmensberatung zu einem zentralen gesellschaftlichen Wissenssystem wurde, ist Gegenstand dieses Buches. Gesellschaftspolitische Entwicklungen werden nicht erst seit der jüngsten Finanzkrise durch Unternehmensberatungen wie McKinsey geprägt. Die Beraterkultur nimmt seit langem Einfluss auf die Gestaltung ökonomischer wie politischer Prozesse. Eine historische Grundlagenstudie zum Visual Management. Entscheidenden Anteil daran, dass die Consulting Branche zu einem zentralen gesellschaftlichen Wissenssystem wurde, hatten Medien der Beratung: der Film, graphische Modelle, Statistiken und Flow-Charts. Mit ihrer Hilfe inszenierte sich etwa der photographie- und filmbegeisterte Consultant Frank Bunker Gilbreth als 'Engel der Effizienz', der in den 1910er Jahren in Berlin und den Vereinigten Staaten seinen Auftraggebern verspricht, im Unternehmen verborgene Effizienzpotentiale heben zu können. In den USA erproben Berater zur gleichen Zeit graphische und kinetische Verfahren der Zukunftsantizipation. Daraus gehen Praktiken des Visual Management hervor, die nicht nur ein neues Sinnsystem darstellen, sondern dem durch technologische und soziale Umbrüche verunsicherten Industriemanagement Orientierung versprechen. Die Entzauberung der Welt durch deren ingenieurswissenschaftliche Rationalisierung geht paradoxerweise mit einer Verklärung der Beraterbranche einher. Beratung, eine bisweilen wundersam anmutende Mischung sowohl aus beinharter Rationalisierung und Kontrolle wie auch aus Esoterik und Zukunftsvision, kommt immer dann zum Einsatz, wenn wirtschaftliche Strukturen aus dem Gleichgewicht zu geraten drohen. Sie ist eine Kulturtechnik, an der die Grenzen ökonomischer Logik und Legitimität aufscheinen und die gleichzeitig diesen Modus Operandi bis heute maßgeblich mitprägt und stabilisiert. Engel der Effizienz ist eine epistemologisch fundierte Medien- und Kulturgeschichte der Unternehmensberatung. Ergänzt durch reichhaltiges Bildmaterial schildert das Buch von Florian Hoof erstmals, wie sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus neuester Medientechnik, avantgardistischer Ästhetik, wirtschaftlichen Zwängen und ganzheitlicher Philosophie die bis heute maßgebliche Form der Beratung herausbildet.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In seiner Dissertation "Engel der Effizienz" untersucht Florian Hoof die Ursprünge der Unternehmensberatung, berichtet Katharina Teutsch. Gilbreth Scaffold, ein Bauunternehmer, hatte ein neues Baugerüst entwickelt, das seinen Angestellten ihre Arbeit erleichterte - und beschleunigte, so die Rezensentin. Er machte aus der Optimierung einen Beruf, nutzte das neue Medium Film und war darum bemüht, die alte militärische Terminologie durch eine "Ästhetik der Effizienz" abzulösen, die stärker über Anreize als Disziplinierung funktionierte, fasst Teutsch zusammen. Wenn Unternehmensberater heute einen so guten Ruf haben, verdanken sie ihn auch Pionieren wie Scaffold, erfährt die Rezensentin von Hoof.
© Perlentaucher Medien GmbH
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