Eng umgrenzen die Schatten der Familie Karolina Estors Leben: Als drittes Kind wächst sie in dem zum Scheitern verurteilten Versuch ihrer 68er-Eltern auf, alles anders als die Generation zuvor zu machen. Während ihr Vater Klaus bestrebt ist, den Kindern alle Freiheiten zu lassen, und sie doch nur umso enger an sich bindet, verrät ihre Mutter Elke sowohl den Klassenkampf als auch Familienverbund und jettet stattdessen wie besessen für Großkonzerne um die Welt. Karolina indes beherzigt den mütterlichen Leitsatz vom Nichtschwachseindürfen und tröstet sich im Leistungssport, bis Konkurrenzdruck und das Verschwinden ihres Bruders sie auch diesen Halt verlieren lassen. Mit schmerzlich-lakonischer Offenheit verknüpft Katharina Peter Erinnerungsflicken ihrer Protagonistin zu einem Teppich deutscher Geschichte, rekonstruiert anhand eines Familienarchivs verschwiegene Schuld und verlangt ihrer Protagonistin alles dabei ab, denn: Gelingt es ihr nicht, ihre Geschichte zu formulieren und einen Sinn für sich zu schaffen, so geht sie verloren in dem Dunkel, das die Familie ist. Schonungslos und mutig, erschreckend und tröstlich dringt Peters Debütroman tief in die Geschichte ein und legt die Grundlagen unserer Gesellschaft bloß.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Beeindruckend reif" erscheint Rezensent Nils Kahlefendt dieses Romandebüt von Katharina Peter, in dem es um die Aufarbeitung familiärer Traumata geht. Mit diesem Familienroman hat die Autorin alles andere als eine "gut abgehangene Familiensaga" vorgelegt, stellt der Kritiker fest. Die Erzählstimme hier ist "wütend, böse, schrill" und deckt "gnadenlos sarkastisch" nach und nach emotionalen Missbrauch und Heuchelei in der Familie der Protagonistin, der Schriftstellerin Karolina Estor, auf. Der Rezensent merkt der Autorin an, dass sie vom Theater kommt und schätzt wie hier in kurzen Sequenzen, "treibend rhythmisiert" und in "pointierten Dialogen" die schwierige Kindheit und Jugend der Hauptfigur, die Illusionen ihrer 68er-Eltern und die Nazi-Vergangenheit der Großeltern aufgedeckt werden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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