Stephanie Bart folgt in ihren Romanen der Spur des Widerstands. Auch in der Erzählung zurSache widmet sie sich dem Widerspruch zwischen dominanten gesellschaftlichen Kräftenund ihren Antipoden, hier: Gudrun Ensslin.Wir tauchen ein in die Atmosphäre der Bundesrepublik des Jahres 1972 und verfolgen ausder Subjektive von Gudrun Ensslin, was es bedeutet, wenn sich ein junger Mensch mit einemintakten Gewissen dazu entscheidet, die faschistische Kontinuität der Bundesrepublik nichthinzunehmen.Mit ihrer Sprache, deren Wucht wir aus der Ästhetik des Widerstands von Peter Weiss kennen,lässt die Autorin in einer trommelnden, singenden, rhythmischen Komposition aus historischemDokumentenmaterial und Schlüsselzitaten der linken Theorie die Figur der GudrunEnsslin vor unserem inneren Auge lebendig werden: von den bunten, gewaltfreien Protestenin der APO über die Baader-Befreiung (Gründung der RAF) und die 5 ½ Jahre ihrer Inhaftierungbis zu ihrem Tod im Stammheimer Gefängnis am 18. Oktober 1977.Stephanie Bart knüpft im Spiegel dieser Figur an eine gesellschaftliche Perspektive an, dienicht erst seit Heine, Büchner, Benjamin oder Brecht auf das gute Leben für alle zielt, das derMensch, laut Schiller, nur da zu leben imstande ist, wo er spielt.Spielerisch entfesselt Stephanie Bart in der Erzählung zur Sache ein Denken, in dem der immerzubemühte, aber nie verwirklichte Begriff der Würde des Lebens endlich laufen lernenkönnte: auf eine Zukunft zu, in der niemand zurückgelassen und das Ökosystem instand gehaltenwird, denn es ist fünf nach zwölf!
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Eine Literaturkritik ist das nicht: Der Rezensent Rupert von Plottnitz war seinerzeit Strafverteidiger des RAF-Terroristen Jan-Carl Raspe und später Grünen-Politiker, Mitglied von "Attac" und sogar Hessischer Minister der Justiz und für Europaangelegenheiten. Bei der Lektüre seines Textes kann man sich fragen, ob es nicht eine Schnapsidee der FAZ-Literaturredaktion war, die Besprechung dieses Romans einem damals Beteiligten zu überlassen. Problematisch ist es vor allem deshalb, weil Plottnitz zwar ein bis zu einem gewissen Grad anschauliches Bild des Romans gibt, als Jurist aber die literarischen Strategien der Roman-Autorin nicht zu erfassen vermag: Er erwähnt zwar, dass die Autorin Passagen aus Originaldokumenten der Zeit mit eigener Prosa vermischt und die Grenzen nicht kenntlich macht, problematisiert es aber nicht. Welche Position bezieht die Autorin mit ihrer Totalversenkung in die "ferne und fremde Sprache der RAF"? Geht es um die Exhumierung einer heute bizarr wirkenden, damals aber totalen ideologischen Raserei? Identifiziert sich die Autorin mit der Terroristin? Gibt sie ihren Positionen Legitimität? Man wird den Roman selber lesen müssen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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