Eine Gesellschaft auf ihrem unwahrscheinlichen Weg in die Moderne: Dargestellt werden soziale Strukturen und ihre Veränderung, verbunden mit einer Medientheorie und den Selbstbeobachtungen in der Sozialphilosophie.Die Beschaffenheit der modernen Gesellschaft in Europa am Ende des 18. Jahrhunderts war so unwahrscheinlich wie welthistorisch einmalig. Das Buch analysiert die Entstehung und Durchsetzung sachorientierter Strukturen aus einer vormodernen hierarchischen Gesellschaftsordnung des Spätmittelalters heraus. Es folgt dabei keiner Modernisierungs- oder Fortschrittstheorie, sondern spürt den Problemen nach, die überwunden wurden, den Zufällen und Wechselwirkungen, die dabei eine Rolle spielten. Die Darstellung verbindet Mediengeschichte, Kommunikationstheorie sowie die Strukturgeschichte sozialer Systeme mit einer überraschenden Lesart der vormodernen Sozialphilosophie. Sie leistet auf diese Weise auch einen Beitrag zur Klärung und Historisierung grundlegender soziologischer Begriffe und Kategorien. Der Autor spannt in seiner Gesellschaftsgeschichte ein weites Panorama auf, das von der Familie über Korporationen, herrschaftliche Verwaltung, Unternehmen, sozialen Protest und religiöse Bewegungen bis hin zu Funktionsbereichen wie Recht und Ökonomie reicht. Die Rationalität der Moderne wird auf diese Weise als Effekt institutioneller Zusammenhänge greifbar, der in einer neuen Anthropologie des Menschen seine Entsprechung fand. Die Veränderung von Strukturen setzte andere Weltzugänge und Beschreibungen voraus und umgekehrt.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Einen unbedingt lesenswerten Beitrag zur Erforschung der europäischen Frühneuzeit-Forschung legt Rudolf Schlögl hier laut seinem Kollegen Peter Burschel vor. Der Historiker Schlögl verfolgt darin konsequent einen systemtheoretischen Ansatz und zeigt auf, wie von 1500 bis 1800 die europäische Gesellschaft, und nur diese, von hierarchischer auf funktionale soziale Differenzierung umgestellt wurde. Auch der Aufbau des in zwei Kapitel gegliederten Buches orientiert sich, lesen wir, an systemtheoretischer Systematik, im ersten geht es um Medien und soziale Kommunikation, wobei unter anderem auf den schwindenden Einfluss der Moral angesichts neuer symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien wie Macht und Geld verwiesen wird; das zweite Kapitel beschäftigt sich dann mit Systembildung, insbesondere mit Blick auf Interaktionssysteme wie das der Familie. Auch wer der Systemtheorie skeptisch gegenübersteht, glaubt Burschel, kann diesem klugen Buch wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der europäischen Modernisierungsprozesse, insbesondere hinsichtlich ihrer Zufälligkeit, entnehmen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»(Eine) Monographie, die den Rezensenten beschäftigt hat und beschäftigt wie wenige andere Bücher« (Peter Burschel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.2025)







