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Der Ökologe Paul Bannerman, 35, hat einen festen Job, eine erfolgreiche Ehefrau und einen kleinen Sohn. Er glaubt, das Leben unter Kontrolle zu haben - bis man eine Krebserkrankung diagnostiziert. Er wird zeitweilig sogar zu einer Gefahr für seine Mitmenschen, denn infolge der Behandlung ist er "radioaktiv. Um Frau und Kind zu schützen, begibt sich Paul in freiwillige Quarantäne im Haus seiner Kindheit, umsorgt von den Eltern, Adrian und Lyndsay. Unversehens wird Paul vom Ehemann und Vater wieder zum Sohn - mit weitreichenden Folgen für alle Beteiligten. Paul reflektiert seine Ehe und den Job…mehr

Produktbeschreibung
Der Ökologe Paul Bannerman, 35, hat einen festen Job, eine erfolgreiche Ehefrau und einen kleinen Sohn. Er glaubt, das Leben unter Kontrolle zu haben - bis man eine Krebserkrankung diagnostiziert. Er wird zeitweilig sogar zu einer Gefahr für seine Mitmenschen, denn infolge der Behandlung ist er "radioaktiv. Um Frau und Kind zu schützen, begibt sich Paul in freiwillige Quarantäne im Haus seiner Kindheit, umsorgt von den Eltern, Adrian und Lyndsay.
Unversehens wird Paul vom Ehemann und Vater wieder zum Sohn - mit weitreichenden Folgen für alle Beteiligten. Paul reflektiert seine Ehe und den Job bei einer großen Naturschutzorganisation, der mit den Ansichten seiner Frau kaum zu vereinbaren ist. Und auch die scheinbar so perfekte Ehe von Adrian und Lyndsay gerät in eine Krise, als verdrängte Emotionen wieder an die Oberfläche kommen und eine unerwartete Wendung in ihrer Beziehung eintritt ...
Gordimer zeigt sich einmal mehr als brillante Analytikerin unserer Ängste und Hoffnungen, schonungslos gibt sie Einblick in die Tiefe der menschlichen Seele.
Autorenporträt
Nadine Gordimer, 1923 in Transvaal geboren, beschäftigte sich in ihren Erzählungen mit dem Leben in Südafrika unter den Bedingungen der Apartheidpolitik. Bekannt wurde sie durch Romane wie "Fremdling unter Fremden", "Der Ehrengast", "Burgers Tochter" oder "Julys Leute". 1991 erhielt Nadine Gordimer den Nobelpreis für Literatur. Die Autorin verstarb im Juli 2014.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.10.2006

Die kümmert sich um alles
Aus dem Tugendkatalog: Nadine Gordimer ist neu zu lesen

Krebs, Kidnapping, Korruptionsskandale, Geburtenrückgang, Atomtod, Aids, Alterssex - das ist nicht etwa der Sündenkatalog, den Boulevardblätter täglich ihren Lesern zum Fraß vorwerfen. Das sind die Sorgen, die sich Nadine Gordimer in ihrem neuen Roman "Fang an zu leben" um den Zustand der Menschheit macht. Kaum ein Thema, das die westliche Welt im Ernst oder Scherz beunruhigt, für das sie nicht in ihrem Buch ein Exemplum statuierte. Jede Figur hat einen Auftrag; jede hat, wie ein Angestellter im Krisenmanagement, einen bestimmten Problemfall zu bewältigen. Und immer erfüllt sie ihn auf vorbildliche Weise. Für alle Fragen, die ihm angelegen sein könnten, bekommt der Leser von irgendeiner der Rollen die fortschrittlichste Lösung angeboten. Wer diesen Ratgeber gelesen hat, kann nicht mehr fehlgehen.

Die Romanhandlung beschäftigt sich mit den zwei Generationen einer Familie. Das junge Ehepaar, Mitte Dreißig, hat eine echte Partnerschaft, denn beide sind erfolgreich im Beruf. Ihre Eltern, etwa sechzig Jahre alt, sind ihrer Zeit voraus, denn auch hier hat die Frau ein erfülltes Berufsleben hinter sich. Diese Menschen sehen sich mit Krebs und Strahlentod konfrontiert. Paul Bannermann, der junge Ehemann, wird gegen den Schilddrüsenkrebs, der ihn mit fünfunddreißig Jahren anfiel, mit radioaktiven Strahlen behandelt. Er ist "buchstäblich strahlend" und also die Inkarnation von Segen und Unsegen der Nuklearenergie. Für die Zeit seiner Genesung muß er von den Mitmenschen isoliert werden; die Eltern opfern sich und nehmen ihn zur Pflege auf. Diese währt zwar nur ein paar Wochen; Zeit genug jedoch, um die Probleme anbranden und romanhafte Katastrophen entstehen zu lassen.

Paul Bannermann kehrt bald auf seine "Stelle in einer Stiftung für Artenerhaltung und Umweltschutz" zurück, um gegen die Zerstörung der afrikanischen Natur zu kämpfen. Seine Liebe zu Frau und Kind hat durch die Quarantäne keineswegs gelitten, er beweist es in der Prüfung, die auf ihn wartet und die er mit Auszeichnung besteht. Seiner Frau nämlich macht das wiedergewonnene Glück nach überstandener Krankheit bewußt, daß sie ein zweites Kind haben sollte: "Sie erwähnte gar nicht, daß es auch eine Karriereentscheidung war. Sie war bereit, etwas von ihrer Energie aufzugeben", entscheidet sich also vorbildlich im Sinne des von der Politik ausgedachten neuesten Lebensentwurfs für erfolgreiche Frauen: "Es ist ihr Beitrag zum Beginn einer neuen Lebensform." Dadurch erhält ihr Mann Gelegenheit, Größe zu beweisen. Nach einer Strahlenbehandlung nämlich sträubt sich seine Natur gegen die Erschaffung neuen Lebens; er kann den Kinderwunsch seiner Frau nicht erfüllen - eine Warnung der Autorin auch an die Atommächte, die mit ihren Tests und Raketen lange über die Zeit der Strahlungen hinaus Leben unmöglich machen werden. Paul Bannermanns Frau allerdings findet eine schlanke Lösung: Ein anderer Mann springt ein, und das Glück des Paares ist perfekt. Mittlerweile aber ist Bannermanns Mutter in eben die Schwierigkeiten geraten, die jeder Frau Ende Fünfzig drohen, auch wenn sie zuvor die "Totalität" der Liebe ihres Mannes genossen hat, den "allumfassenden Sex, den er ihr gewährte, weit mehr als das bloße Ficken [...]. Liebe mit den Gegenströmungen der Kinder, die aus dieser Hingabe erwuchsen, aus diesem Bündnis innerhalb und gegen die Gefährdungen der Welt."

Selbst so ein mustergültiger Ehemann verliebt sich in eine junge Frau. Die Verlassene, nicht weniger geschickt als ihre Schwiegertochter, adoptiert zum Trost ein Mädchen, "schwarz, mißbraucht, infiziert, namenlos", ein Mädchen, dessen Biographie beispielhaft alle Verfehlungen der westlichen Welt und alle Probleme der Dritten Welt bündelt: Imperialismus, Kindsmißbrauch, Aids, Bildungsnotstand. Die einzige Figur des Romans, die nicht immer nur das Wahre und Gute erkannt hat, sondern auch das Schöne suchte, der alternde Mann, der eine junge Frau gewinnt, wird gerichtet. Der Ungetreue stirbt in den Armen seiner Geliebten; die verlassene Ehefrau besitzt die Größe, das Angebot der Geliebten, den Toten zu ihr zu überführen, abzulehnen.

Gordimer würzt ihre Exemplensammlung moderner Tugenden mit einer Anzahl von Lebensweisheiten, die der lakonischen Erzählung erst die Fülle eines Romans verschaffen: "Die Gegenwart des Todes macht auch aus schwachen Bindungen ein Sakrament." Oder: "Nur das Opfer hat die Macht, dem Täter die Rückkehr in die historische Kontinuität eines Lebens zu bahnen." Schließlich: "Als Mutter und Vater trägt man in sich selbst eine Katastrophenausrüstung, die praktische und psychologische Werkzeuge bereithält, um mit einer allgemein bekannten Liste von existentiellen Krisen im Leben der Kinder fertig zu werden."

Der Roman der zweiundachtzigjährigen Nobelpreisträgerin wird zum Erbauungsbuch, die schon im Titel "Fang an zu leben" (im Original: "Get a Life") eine besinnliche Ermahnung enthält. Nadine Gordimer, die von dem Glauben des Lesers zehrt, sie sei fähig, ihn in eine exotische Welt zu entführen, gibt sich in ihrem neuen Buch keine Mühe, diese Fähigkeit zu beweisen. Kein Hauch von Atmosphäre einer anderen Kultur entsteht durch den Text. Der Kieselbettreaktor, die Staudämme, das Okavango könnten ebensogut in Neckarwestheim stehen, die Partys der afrikanischen Familien auch in Bad Homburg stattfinden. Nichts von den Beschreibungen Tanja Blixens etwa. Der Ruhm, eine Erzählerin exotischer Himmel und Höllen zu sein, müßte Nadine Gordimer abgesprochen und ihr statt dessen der Titel einer europäischen Erbauungsschriftstellerin verliehen werden. Zu viel Moral ist unmoralisch.

HANNELORE SCHLAFFER.

Nadine Gordimer: "Fang an zu leben". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Malte Friedrich. Berlin Verlag, Berlin 2006. 219 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Nadine Gordimers Stärke liegt in der Beschreibung zwischenmenschlicher Beziehungen: anhand von Gesten und Ritualen gelingen ihr immer wieder Verdichtungen der gesellschaftlichen Atmosphäre, markante Übersetzungen eines diffusen Empfindens." - Süddeutsche Zeitung

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Nicht wirklich gelungen findet Rezensentin Cornelia Gellrich diesen Roman. Zu groß ist darin für ihren Geschmack die Entfernung zwischen Leser und Figuren, zu dick die bürgerliche Watte, in die sie gepackt und vom Leben und seinen Erfahrungen abgeschottet sind. So fangen sie dem Eindruck der Rezensentin zufolge mit dem Leben, wie es der Titel verspricht, gar nicht an. Es geht um einen Mittdreißiger, der an Krebs erkrankt. Nach überstandener Therapie scheint seine Wahrnehmung geschärft, was aber Gellrich zufolge nicht wirklich zu tragenden Einsichten führt - und zwar sowohl, was den Blick auf seine weiße bürgerliche Lebenswelt, als auch auf das Post-Apartheid-Südafrika betrifft. In Pastellfarben male Nadine Gordimer die bürgerliche Wattewelt ihrer Protagonisten. Nur ab und zu lasse sie den Schrecken der Wirklichkeit in ihren "Hochglanzbildern ohne viel Hintergrund" aufblitzen. Am Ende überlasse sie es leider den Lesern, die entstandenen kaum sichtbaren Risse im schönen Bild weiterzudenken.

© Perlentaucher Medien GmbH