Zwar gibt es Schmuck schon bedeutend länger als seit 7000 Jahren, aber die Sammlung des Museums für Angewandte Kunst verfügt dennoch über einen bemerkenswerten Bestand an hochwertigen Schmuckstücken aus vielen Epochen. Die aktuell in Köln laufende Ausstellung zeigt einen repräsentativen Querschnitt
von fast 400 Werken, mit einem starken Fokus auf Zentraleuropa, also Deutschland und Benelux.…mehrZwar gibt es Schmuck schon bedeutend länger als seit 7000 Jahren, aber die Sammlung des Museums für Angewandte Kunst verfügt dennoch über einen bemerkenswerten Bestand an hochwertigen Schmuckstücken aus vielen Epochen. Die aktuell in Köln laufende Ausstellung zeigt einen repräsentativen Querschnitt von fast 400 Werken, mit einem starken Fokus auf Zentraleuropa, also Deutschland und Benelux. Interessant sind die verschiedenen Aspekte, unter denen die Ausstellungsmacher die Stücke gruppiert haben, denn sie zeigen, wie Schmuck seine Rolle im Lauf der Zeit immer wieder geändert hat. Er reflektiert gesellschaftliche Zugehörigkeit, persönliche Einstellung, Macht, aber auch Bildung, Stilwandel und nicht zuletzt technologische Möglichkeiten. Die in der Antike entwickelte Granulationstechnik war z. B. über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten, bis sie um 1920 in Deutschland experimentell wiederentdeckt wurde und heute ein besonderer Sammlungsschwerpunkt des MAKK ist.
Schmuckdesigner haben zu allen Zeiten versucht, neuartige Materialien zu verarbeiten, auch das zeigt die Ausstellung (und der Katalog) sehr eindrucksvoll. Aluminium war einmal kostbarer als Gold, andere Materialien fanden Verwendung, nicht weil sie (möglicherweise nur temporär) wertvoll sind, sondern weil sie neue Konstruktionstechniken ermöglichen, neue Farb- und Formeffekte, oder schlichtweg den Schmuck demokratisieren, indem sie Luxus erschwinglich machten. Das begann im 19. Jahrhundert mit dem dünnen „Schaumgold“ und setzte sich in den Zwanzigerjahren mit dem Einsatz von frühen Kunststoffen und preiswerten, aber attraktiven Schmucksteinen fort. Der Trend hält bis heute an, auch wenn die Korrelation preiswerte Materialien = preiswerter Schmuck nicht mehr unbedingt gilt.
Allen Objekten im Katalog ist gemeinsam, dass sie Handarbeit sind und in das Luxus-Sortiment fallen. Es gibt hier keine CNC-gefrästen Karkassen und auch keinen 3D Druck. Das wird sicher noch kommen, aber Museen tun sich oft etwas schwer, wenn Technik auf Kunst trifft. Der von der Museumsdirektorin betonte Fokus der „Nachhaltigkeit“ in der Sammlung erscheint mir hingegen nachträglich aufgesetzt, um einem woken Zeitgeist zu huldigen. Bei Industrieunternehmen nennt man so etwas „Greenwashing“, denn ein paar Schmuckstücke aus Schlackeabfällen machen noch lange keine nachhaltige Sammlung, aber das Wort verhindert zumindest einen schreienden Mob vor den Türen.
Die Fotos im Katalog sind hervorragend und zeigen Details, die man in der Vitrine aufgrund ihrer Feinheit kaum erkennen kann. Jedes Stück wird mit seinem Schöpfer (soweit bekannt), Datierung, verwendeten Materialien und ggf. auch Verarbeitungstechniken vorgestellt. Auch der kulturgeschichtliche Hintergrund, wie Tragekonventionen, stilgeschichtliche Einordnung oder der Zeitgeist der Epoche (z. B. Erinnerungskultur) wird in den Beschreibungen kurz beleuchtet. Die Vielfalt ist enorm, nur beschränkt durch den bewussten Sammlungsschwerpunkt auf Zentraleuropa.
Ein umfangreicher und exzellent illustrierter Ausstellungskatalog, buchtechnisch sehr schön verarbeitet und auf festem, matten Papier gedruckt. Informativ und vielfältig.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)