»500 Pfund im Jahr und ein eigenes Zimmer«, forderte Virginia Woolf zur Freiheit und Selbstverwirklichung für jede Frau. Zugleich beschränkt die neuzeitliche Trennung von Privatem und Öffentlichem die Frauen meist auf die häusliche Sphäre.Seit Ende des 19. Jahrhunderts etabliert sich in der Kunst ein wundersamer bildlicher Ausdruck dieses Spannungsfeldes zwischen Geborgenheit und Einsamkeit, Autonomie und Einschluss: Frauen werden in bürgerlichen Innenräumen vor Mustern inszeniert. Sie sitzen oder liegen dabei vor gereihten Ornamenten, die auf Tapeten, Vorhänge oder Stoffe appliziert sind.In ihrem fein gesponnenen, reich bebilderten Essay, der subjektive Faszination und kulturgeschichtliche Rekonstruktion verknüpft, geht Anke te Heesen diesen eigentümlich betörenden Bilderwelten nach, in denen oft genug nicht klar ist, ob Frauen sich den Raum aneignen oder selbst zum Interieur werden.Bilder und Text verweben sich zu einer einzigartigen Betrachtung von Blicken auf das weibliche Selbst im Raum und schaffen so eine außergewöhnliche Annäherung an die Bedingungen weiblicher Lebensformen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Allein beim Lesen von Alexandra Wachs Kritik möchte man all die Bilder anschauen, die in diesem Buch der Wissenschaftshistorikerin Anke te Heesen als Beispiele dienen. Zum Glück gibt es genug Bildmaterial, verrät die Kritikerin, die den Band auch darüber hinaus mit großem Gewinn gelesen hat: Das Sujet "Frauen vor Mustern" ist dabei keineswegs ein kunsthistorisches Nischenthema, erkennt die Rezensentin in diesem erfreulichen ausführlichen Essay. Vielmehr kann ihr die Autorin anhand von Gemälden von Cezanne, Vuillard oder van Gogh zeigen, wie dominant und lang sich das Motiv der "im Textilen weggeschlossenen Frau" hielt. Künstlerinnen wie die Autodidaktin Suzanne Valadon, die Fotografinnen Francesca Woodman und Bettina Rheims, aber auch Elfriede Jelinek und sogar Madonna griffen es auf, deuteten es emanzipatorisch um oder reflektierten in ihren Arbeiten über die Frage, ob die vor gemusterten Interieurs drapierten Frauen sich den Raum aneignen oder doch eher unsichtbar erscheinen. Dass in Heesen "vortrefflich ausfransendem Diskussionsteppich" auch der Mann vor Mustern in einem Exkurs bedacht wird, verbucht Wach als zusätzlichen Gewinn.
© Perlentaucher Medien GmbH
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