Marktplatzangebote
7 Angebote ab € 12,00 €
  • Gebundenes Buch

150. Todestag am 5. Dezember 2010
1837 prangerte Friedrich Christoph Dahlmann (1785-1860) mit sechs anderen Göttinger Professoren die Aufhebung der Verfassung im Königreich Hannover an. Als Wortführer der "Göttinger Sieben" wurde der Historiker und Lehrer der Politik zu einem der Heroen des deutschen Vormärz. Wilhelm Bleek legt nun die erste Biographie Dahlmanns vor und zeichnet dabei ein lebendiges Porträt seiner Epoche.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war der in Wismar geborene Gelehrte eine der prägenden Figuren. Mit Heinrich von Kleist inspizierte er 1809 die Leichenberge
…mehr

Produktbeschreibung
150. Todestag am 5. Dezember 2010

1837 prangerte Friedrich Christoph Dahlmann (1785-1860) mit sechs anderen Göttinger Professoren die Aufhebung der Verfassung im Königreich Hannover an. Als Wortführer der "Göttinger Sieben" wurde der Historiker und Lehrer der Politik zu einem der Heroen des deutschen Vormärz. Wilhelm Bleek legt nun die erste Biographie Dahlmanns vor und zeichnet dabei ein lebendiges Porträt seiner Epoche.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war der in Wismar geborene Gelehrte eine der prägenden Figuren. Mit Heinrich von Kleist inspizierte er 1809 die Leichenberge auf dem Schlachtfeld von Aspern und mit den Brüdern Grimm verband ihn eine enge Freundschaft. Er war einer der Väter der Paulskirchenverfassung von 1848 und gehörte zu der Delegation, die dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone anbot. Nicht zuletzt zählt ihn die deutsche Politikwissenschaft zu ihren Gründern. In seiner Biographie spürt Wilhelm Bleek dem Wechselverhältnis von akademischer Gelehrsamkeit, sittlichen Überzeugungen und politischem Engagement in Dahlmanns Wirken nach und lässt die familiären, freundschaftlichen und räumlichen Lebensumstände eines deutschen Gelehrten zwischen Revolution und Restauration wieder aufleben.
Autorenporträt
Dr. Wilhelm Bleek, geboren 1940, war von 1981 - 2005 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bochum. Er lebt im Ruhestand in Toronto/Kanada.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2010

Ein konservativ-liberaler Verfassungsfreund des neunzehnten Jahrhunderts

Gesinnungspolitiker der "Göttinger Sieben", Historiker und Paulskirchenabgeordneter: Friedrich Christoph Dahlmann wird in einer neuen Biographie plastisch.

Als 1842 in Bonn bekannt wurde, dass Friedrich Christoph Dahlmann einen Ruf an die Universität angenommen hatte, gab es ein Bürgerfest, Fahnenschmuck und Böllerschüsse. Der "Verein der Carnevalsfreunde" ernannte Dahlmann sofort zum Ehrenmitglied. 1837 hatte er seine Professur in Göttingen verloren und war aus dem Königreich Hannover verwiesen worden. Als einer der "Göttinger Sieben" hatte er gegen die Aufhebung der hannoverschen Verfassung von 1833 durch den neuen König Ernst August protestiert. In den fünf Jahren ohne akademisches Amt und Einkommen war er zum Märtyrer, zum Symbol für Mannesmut vor Fürstenthronen und für die Verfassungsbewegung geworden.

Nur sechs Jahre nach seinem triumphalen Einzug in Bonn wechselte der anerkannte Verfassungsexperte in die Frankfurter Nationalversammlung. Dort spielte er zunächst eine bedeutende Rolle, verrannte sich aber später im Konflikt um seine Heimat Schleswig-Holstein und erlebte dabei nicht nur eine persönliche Niederlage, sondern wurde auch durch das gesamte Scheitern der Nationalbewegung 1849 tief getroffen.

Er war der prototypische "politische Professor" jener Zeit, allerdings mehr grundsatztreuer Theoretiker als Pragmatiker. Seine historischen Werke sind heute nur noch Gegenstand der Wissenschaftsgeschichte, aber sein unvollendetes Hauptwerk "Die Politik auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt" (Erster Band 1835) wirkt immer noch anziehend. Es ist ein Markstein in der Geschichte der Wissenschaft von der Politik. Sein Ideal ist der freiheitliche Verfassungsstaat in Form der konstitutionellen Monarchie, sein gedanklicher Duktus eine auf Aristoteles zurückgehende moderate Linie des Ausgleichs innerhalb einer "guten Verfassung" und der Förderung des Gemeinwohls.

Dahlmann ist natürlich immer wieder gewürdigt worden, vor allem in Göttinger oder Bonner Zusammenhängen sowie wegen seiner Bedeutung für die "Paulskirche". Aber eine moderne Biographie fehlte. Die zweibändige Darstellung von Anton Springer aus den Jahren 1870/1872 war längst veraltet und nicht mehr aufzufinden. Es ist deshalb für die Geschichte des deutschen Liberalismus und der Politikwissenschaft, für die Verfassungs- und Rechtsgeschichte ein Ereignis, endlich wieder über eine umfassende Biographie Dahlmanns zu verfügen. Geschrieben hat sie der emeritierte Bochumer Politikwissenschaftler Wilhelm Bleek nach jahrelangen Vorarbeiten.

Die Hinwendung zu Dahlmann ist bei ihm kein Zufall. Er ist unter den heutigen Politologen vielleicht am stärksten an Geschichte generell sowie an der Wissenschaftsgeschichte des eigenen Fachs interessiert. Als Politikwissenschaftler vertritt er, nicht unähnlich Dahlmann, eine reformfreundliche Linie innerhalb der "gegebenen" Verfassung. Und sein Ururgroßvater, der bedeutende Bonner Theologe Friedrich Bleek (1793 bis 1859), war mit Dahlmann befreundet. Dessen Tagebuch verzeichnet gelegentlich "Rotwein mit Dahlmann und (Ernst Moritz) Arndt".

Die Biographie folgt der Lebenslinie. Sie beginnt in Wismar, schildert in liebevollen Ausmalungen die Schulzeit, das Studium der klassischen Philologie in Kopenhagen und Halle sowie die ersten schriftstellerischen Arbeiten. 1809 reiste er mit Heinrich von Kleist nach Österreich, um antifranzösisch zu "agitieren" und die Schlacht von Aspern mitzuerleben. Der junge Dahlmann wurde dann Professor für Universalgeschichte in Kiel, fing aber auch an, über "Politik" zu lesen. Durch eine historisch unzutreffende, aber in die Zeitstimmung passende Interpretation des sogenannten Ripener Privilegs von 1460 schmiedete Dahlmann die Klammer "up ewich ungedelt", die dazu dienen sollte, im Streit mit Dänemark die beiden Herzogtümer Holstein und Schleswig gemeinsam für Deutschland zu reklamieren. 1829 wechselte Dahlmann als Professor für deutsche Geschichte und Staatswissenschaften nach Göttingen und wurde auch dort umgehend in die Politik und vor allem die Verfassungsdebatte einbezogen, ja er schrieb den ersten Entwurf der hannoverschen Verfassung von 1833. Umso größer dann die Kränkung von 1837, als der neue König, der erzkonservative Tory Ernst August I., dieses sorgfältig erarbeitete "Grundgesetz" wieder umstürzte. Nun war Dahlmann mitten in der "Politik", als Autor wie als Agitator gegen den Verfassungsbruch. Nach Exilierung und Wartezeit wurde der Nationalheld dann Bonner Professor, Verfassungsexperte in der Paulskirche und leidenschaftlicher Verfechter eines preußischen Erbkaisertums. Als auch dies misslang - Dahlmann stand mit zweiunddreißig Abgeordneten der Paulskirche vor dem preußischen König, um ihm die Kaiserkrone anzubieten -, gab es nur noch "politische Nachspiele in Gotha, Erfurt und Berlin". Als Dahlmann am 5. Dezember 1860, vor hundertfünfzig Jahren also, in Bonn starb, konnte er das gelobte Land eines freiheitlich verfassten und geeinten Nationalstaats noch nicht erblicken. Dass das heutige Grundgesetz ausgerechnet in Bonn entstanden ist, wirkt im Rückblick auf Dahlmanns Leben wie ein listiges Aperçu der Geschichte.

Bleek hat ein von Wärme getragenes Lebensbild dieses querköpfigen konservativen Liberalen, eines professoralen "Gesinnungspolitikers" geschrieben. Dahlmann war norddeutscher Protestant, fest verankert im neuhumanistischen Bildungsideal und in der Überzeugung, eine freiheitliche Politik sei vereinbar mit der Treue zu den "Thronen", obwohl gerade die Fürsten, allen voran sein hoher Briefpartner Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, ihn herb enttäuschten. Alles in allem erweckt diese Biographie wieder eine der wichtigsten bürgerlichen Stimmen des 19. Jahrhunderts zum Leben - mit weitreichenden Auswirkungen auf den Grundrechtsteil des Grundgesetzes sowie auf die ideellen Grundlagen des deutschen Liberalismus und der Politikwissenschaft.

MICHAEL STOLLEIS

Wilhelm Bleek: "Friedrich Christoph Dahlmann".

Eine Biographie.

Verlag C.H. Beck, München 2010. 491 S., Abb., geb., 34,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Mit großer Freude hat der Berliner Germanist Steffen Martus diese Biografie des Friedrich Christoph Dahlmann gelesen, der für ihn als Prototyp des politischen Professors in die Geschichte eingegangen ist. Dahlmann war der federführende der "Göttinger Sieben", jener Professoren, die beim König von Hannover gegen die Abschaffung der Verfassung protestierten und damit zu Galionsfiguren der deutschen Demokratiebestrebungen wurden. Bemerkenswert auch der akademische Werdegang Dahlmanns, der als Altphilologe angefangen hat, später aber Verfassungsrecht lehrte. Sehr wahrscheinlich findet Rezensent Martus auch, wie Dahlmann von seinem Biografen Wilhelm Bleek gezeichnet wird: als unnachgiebig und kompromisslos und rechthaberisch, aber eben auch standfest, treu und aufrichtig. Bleeks Buch lobt Martus als "verlässlich und engagiert".

© Perlentaucher Medien GmbH