Tarjei Vesaas (1897-1970) erreichte mit seinem Schreiben eine einzigartige Meisterschaft: klar komponierte Geschichten, eine verdichtete, geradezu glühende Sprache, eigenwillige Figuren voller Spannungen, die ihrer inneren Stimme folgen. In .Frühlingsnacht. steht der 14-jährige Hallstein im Mittelpunkt, gerade an der Schwelle zwischen Kindlichkeit und Erwachsenensein, der mit seiner älteren Schwester Sissel über Nacht allein zu Hause bleibt, als die Eltern zu einer Beerdigung in die nahe Ortschaft fahren. Hitze und Feuchtigkeit liegen drückend auf dem Tag, und als die Geschwister sich zum Abendessen setzen, klopft es an der Tür. Eine fremde Familie benötigt nach einer Autopanne Unterkunft, zumal eine junge Frau kurz vor der Entbindung steht. Alle sind in Aufruhr, die Besucher bringen dramatische Konflikte mit, und die Frühlingsnacht wird zu einem Abenteuer, das Ungeklärtes zutage befördert und jeden verändert zurücklässt.Tarjei Vesaas schafft mit wenigen Strichen eine verzauberteAtmosphäre. Die norwegische Natur um das Haus blüht und wächst, Bäume schlagen aus, Knospen springen auf, und der unaufhaltsame Lebenstrieb sprießt auch in Hallstein und Sissel. Durch Hallsteins Augen nehmen wir das Geschehen wahr, und ohne dass es Erklärungen gäbe, verstehen wir nach der Lektüre mehr von dem, was in und um uns wirkt. Hinrich Schmidt-Henkels Übersetzung gelingt das Wunder, das auch Vesaas' Prosa so magisch macht: Vieles bleibt unausgesprochen, verharrt in Andeutungen, und doch entsteht zwischen den Zeilen ein poetischer Raum, eine eigene Welt, die Trost bietet und die man nicht mehr verlassen möchte.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Stephan Opitz dankt zunächst einmal dem Guggolz Verlag dafür, dass wir hier in Deutschland mit Tarjei Vesaas einen der wichtigsten norwegischen Autoren entdecken können, dessen Werk sich vor allem durch seine aufmerksame Innerlichkeit auszeichnet. Auch findet der Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel sein Lob, der das Buch aus der schwierigeren der norwegischen Amtssprachen, dem Nynorsk, übersetzt hat. Es geht in diesem Roman um die Geschwister Hallstein und Sissel, die für eine Nacht allein zuhause sind - eine Nacht, in der sich einiges ereignet, nicht nur, dass Sissels Schwarm Tore vorbeischaut, sondern auch, dass eine ihnen vorher fremde Familie Einlass und Obdach begehrt, verrät Opitz. Ein Kind wird geboren, eine Frau stirbt und über allem liegt ein mystisch-mitreißender Schleier, erfahren wir. Für den Kritiker überzeugt der Roman durch seine atmosphärische und emotionale Dichte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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