Unbemerkt von den Büromenschen hinter den Fenstern umkreisen Tausende Zugvögel das trügerische Licht des Wolkenkratzers in Manhattan. Ein Scharlachkardinal löst sich aus der erbarmungslosen Falle, zieht gen Süden über die Wunden hinweg, die der Mensch in die Erde geschlagen hat, Plantagen, Mauern, Gefängnisse. In einer Küche weit unter ihm wird ein Käferweibchen mit dem ersehnten Mangold verpackt und weckt Hunderte Kilometer weiter Erinnerungen, während in den lauten Straßen Bogotás zwei Hündinnen vor dem Alleinsein flüchten.
Zahllose Wesen fliegen, kuscheln, kriechen, knurren und werden im Verborgenen Zeuge menschlicher Krisen und Hoffnungen. Aus einzigartiger Perspektive lässt uns María Ospina Pizano den amerikanischen Kontinent als zusammenhängenden Organismus begreifen.
Zahllose Wesen fliegen, kuscheln, kriechen, knurren und werden im Verborgenen Zeuge menschlicher Krisen und Hoffnungen. Aus einzigartiger Perspektive lässt uns María Ospina Pizano den amerikanischen Kontinent als zusammenhängenden Organismus begreifen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Den Erfahrungen der Tieren nahe kommen, ohne die Distanz zu leugnen, die sie vom Menschen trennt: Das gelingt diesem Roman insgesamt ziemlich gut, findet Rezensent Josef Oehrlein. Die Kolumbianerin María Ospina Pizano erzählt aus Tierperspektive von Tierschicksalen, die, beschreibt Oehrlein, mit menschlichem Handeln zu tun haben. Zu den tierischen Protagonisten zählen laut Rezensent Straßenkatzen, Käfer im städtischen Betonmeer, Vögel und, das ist für Oehrlein die stärkste Episode, ein Stachelschwein, das von einem Menschen aus dem Bauch der Mutter herausgeschnitten und aufgepäppelt wird. Die Gefühle der Tiere, die aus ihrer natürlichen Umgebung herausgerissen werden, stehen dabei im Zentrum, lernen wir, auch die spezifischen Verhältnisse in der Heimat der Autorin, die blutigen Kämpfe in Kolumbien, spielen am Rand eine Rolle. Geschickt hält das Buch die Spannung zwischen lyrischen und beinahe akademischen Passagen, freut sich Oehrlein, der außerdem die Übersetzung Peter Kultzens lobt. Nicht ganz so glücklich scheint Oehrlein mit dem letzten Kapitel zu sein, in dem sich der Text in eine Montage aus Zitaten und Tierlauten auflöst, insgesamt fällt die Rezension jedoch klar positiv aus.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ospina Pizano lässt sich behutsam auf ihr tierisches Personal ein, ohne eine falsche Nähe zu suggerieren. Es ist auf subtile Weise miteinander verbunden, so wie die Welt der Menschen mit jener der Vögel, Hunde und Käfer verbunden ist. Diese Verkettung und Verwandtschaften ermöglichen einen außergewöhnlichen Blick auf uns selbst und auf das symbiotische, allzu oft zerrüttete Verhältnis zur Natur.« Ulrich Rüdenauer Deutschlandfunk