Seit jeher befassen sich die Philosophen mit den Tugenden, Theologen hingegen räsonieren über Sünden. Doch was ist mit den ganz gewöhhnlichen Lastern? In ihrem luziden Essay ergründet Judith N. Shklar die politische und persönliche Dimension der gewöhnlichen Übel - Grausamkeit, Heuchelei, Snobismus, Verrat und Misanthropie. Sie folgt dabei keiner philologischen Argumentation, sondern wagt einen abenteuerlichen Streifzug durch das moralische Minenfeld der Literatur-, Theater- und Philosophiegeschichte. Das erstaunliche Ergebnis: Die ganz gewöhhnlichen Laster entpuppen sich als durchaus fruchtbar, werden sie in die richtige politische Ordnung eingefasst - in einen emphatisch verstandenen Liberalismus, der fordert: Lieber frei und lasterhaft als gezwungen und moralisch rein.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Endlich ist Judith N. Shklars bereits vor dreißig Jahren erschienenes Buch "Ganz normale Laster" auch auf Deutsch zu lesen, freut sich Rezensent Uwe Justus Wenzel. Geradezu neidisch blickt der Kritiker auf die unerschöpfliche Kenntnis des philosophischen Kanons und der Literaturen der Jahrhunderte, welche die Moralpsychologin in ihrem überzeugenden Streifzug durch die menschlichen Niederungen offenbart. Er lernt, dass laut Shklar die Grausamkeit das schlimmste aller Laster sei, dass jegliches Laster seinen Ursprung in der menschlichen Angst finde und dass der Schutz der körperlichen Unversehrtheit elementarer Kern des Gemeinwesens sein müsse, um Freiheit zu ermöglichen. Nicht nur inhaltlich, sondern bisweilen auch stilistisch stellt sich die Autorin dem Rezensenten als "Schwester im Geiste" Michel de Montaignes dar. Interessiert liest Wenzel in diesem kaum "auszuschöpfenden" Buch schließlich, dass Shklar bei einigen Lastern, der Heuchelei und der Unaufrichtigkeit etwa, auch gern mal ein Auge zudrückt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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