Ernst Meister (1911-1979) ist einer der bedeutendsten deutschen Lyriker des 20. Jahrhunderts. Sein Name ist in einem Zuge mit Paul Celan, Günter Eich oder Karl Krolow zu nennen. Er wurde jedoch häufig geringer beachtet und anerkannt. Das hat mehrere Gründe: Meister schloss sich keiner literarischen
Gruppierung an und machte nicht durch Vorlesungen und literaturtheoretische Aufsätze auf sich…mehrErnst Meister (1911-1979) ist einer der bedeutendsten deutschen Lyriker des 20. Jahrhunderts. Sein Name ist in einem Zuge mit Paul Celan, Günter Eich oder Karl Krolow zu nennen. Er wurde jedoch häufig geringer beachtet und anerkannt. Das hat mehrere Gründe: Meister schloss sich keiner literarischen Gruppierung an und machte nicht durch Vorlesungen und literaturtheoretische Aufsätze auf sich aufmerksam. Außerdem erschienen seine zahlreichen Gedichtbände durchweg in kleineren Verlagen - meist in der „Rimbaud-Presse“.
Daher ist es äußerst verdienstvoll, dass zum 100. Todestag des Dichters im Göttinger Wallstein Verlag eine fünfbändige Gedichtausgabe mit Kommentar- und Apparatband wieder auf ihn aufmerksam macht und ihn damit einen zentralen Platz in der deutschen Nachkriegslyrik zuweist, der ihm auch gebührt.
Meisters erster Gedichtband „Ausstellung“ war 1932 im Verlag „Marburger Flugblätter“ erschienen und orientierte sich an der modernen Kunst. Daher wurde ihm auch „Kadinsky-Lyrik“ vorgehalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der das künstlerische Schaffen unterbrochen hatte, erschienen in kurzen Abständen zahlreiche Gedichtbände wie „Unterm schwarzen Schafspelz“ (1953), „Dem Spiegelkabinett gegenüber“ (1954), „Der Südwind sagte zu mir“ (1955) oder „Fermate“ (1957). In ihnen sprach Meister verschiedene Themen und Motive an wie die biblischen Geschichten oder die Großstadtthematik. Bereits diese frühen Gedichtbänden sind gekennzeichnet durch eine knappe Verssprache und zahlreiche Metaphern.
Die Gedichte der 60er Jahre sind Vermittler von Sprache, Naturwahrnehmung und Wirk-lichkeit. Meisters Spätwerk, das ein Gipfelpunkt in seinem Schaffen darstellt, umfasste die Gedichtbände „Es kam die Nachricht“ (1970), „Sage vom Ganzen den Satz“ (1972), „Im Zeitspalt“ (1976) und „Wandloser Raum“ (1979). Die Motivik dieser Lyrikbände - beeinflusst von Hölderlin - geht auf Themen wie Tod, Endlichkeit und Sprache zurück.
Ein Wendepunkt im literarischen Schaffen Meisters war die Auszeichnung mit dem Droste-Hülshoff-Preis 1957. Damit trat er aus der engen regionalen Sphäre heraus. Es folgten weitere literarische Ehrungen wie der Große Kunstpreis von Nordrhein-Westfalen (1963), der Petrarca-Preis (1976 gemeinsam mit Sarah Kirsch) und der Rilke-Preis (1978). 1979 wurde ihm posthum der Georg-Büchner-Preis für sein lyrisches Gesamtwerk verliehen. Seit 1981 stiftet die Stadt Hagen, Meisters Geburts- und Sterbeort, den Ernst-Meister-Preis und anlässlich seines 10. Todestages wurde 1989 die Ernst-Meister-Gesellschaft gegründet.
Meisters umfangreiches lyrisches Werk umfasst mehr als zwanzig zu Lebzeiten publizierte Gedichtbände, die alle in der vorliegenden textkritischen und kommentierten Ausgabe enthalten sind - weiterhin die zu Lebzeiten verstreut publizierten Gedichte (1951-1979). Die ersten drei Bände bieten einen kritisch revidierten Text auf der Basis der Erstausgaben bzw. -drucke.
Der vierte Band beinhaltet den textkritischen Apparat mit der Darstellung ausgewählter Textstufen. Ergänzt wird dieser Band durch einen elektronischen Teil, der auf der Homepage der Ernst-Meister-Arbeitsstelle als Download zur Verfügung steht. Dieser elektronische Teil der Ausgabe bietet zusätzliche Dokumente zur Erleichterung der Benutzung, u.a. ein Benutzerhandbuch und digitale Reproduktionen. Der abschließende fünfte Band ist den Kommentaren zu den einzelnen Gedichten sowie Bandeinführungen vorbehalten.
Herausgegeben von Axel Gellhaus, Stephanie Jordans und Andreas Lohr präsentiert die fünfbändige Ausgabe der Gedichte Ernst Meisters den neuesten Forschungsstand und zeichnet ausführlich die lyrische Produktion des Dichters nach. Alle Bände haben einen Leineneinband, einen Schutzumschlag und sind in einem Schober untergebracht.
Fazit: Die ausgezeichnete Edition ermöglicht es, die Gedichte von Ernst Meister zu entdecken und so einen der wichtigsten deutschen Lyriker der zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts kennenzulernen.
Manfred Orlick