Der große afrikanische Erzähler Nuruddin Farah erhielt 1998 für »Geheimnisse« den Neustadt International Prize for Literature, den, so die New York Times, »wichtigsten literarischen Preis nach dem Nobelpreis«. Mit dieser Auszeichnung wurde ein Roman geehrt, mit dem Farah, dessen Bücher bisher in siebzehn Sprachen erschienen sind, seinem Kontinent Afrika ein Denkmal gesetzt hat, spielt in Mogadischu, eine Woche vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges: Das Land ist voller Unruhe, in der Stadt wird überall gekämpft, da erhält Kalaman überraschend Besuch - von seiner Kindheitsliebe, die, aus Amerika zurückgekehrt, ein altes Versprechen einlösen will. Die Ankunft Sholoongas läßt Kalaman Vergangenes erinnern, in ihm steigen Mythen und Geheimnisse hoch, die er längst vergessen wähnte. Nach und nach erschließen sich ihm die Rätsel, die sich um seinen sagenhaften Großvater, seine starke Mutter und seinen Vater ranken, und Kalaman erkennt, daß er die Geschichte seiner Vorfahren durchleuchten muß, um - dank Sholoonga mit ihren überwältigenden magisch-sinnlichen Kräften, dank aber auch anderer wunderbarer Frauen - zu sich zu kommen. In den Geheimnissen offenbart sich eine uns fremde, zaubervolle Welt, in der die Beziehungen von Mensch und Natur, Mann und Frau, Mystischem und Realem, Stadt und Land ganz eigen gestaltet sind: eine Welt, in der Gerüche, Töne, Gesten und Sexualität, aber auch familiäre Zwänge und Rituale eine überragende Rolle spielen. Farahs Buch ist ein großes Epos, das auch »Die letzten Tage von Mogadischu« (The New York Review) heißen könnte.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Richtig gut findet der Rezensent Rüdiger Wartusch diesen Roman und bezeichnet ihn als "Tragödie mit Happy End". Das Buch zeichnet sich seiner Ansicht nach durch eine "simple äußere Handlung" (des Protagonisten Jugendliebe taucht wieder auf und will ein Kind von ihm), aber "komplexe Zusammenhänge" aus. Diese Komplexität werde dargestellt durch einen konstruierten, verwobenen Text, der "Ausdruck einer Welt ist, die sich auch in einem noch so kleinen Ausschnitt nicht mehr auseinander lösen lässt." Auch Politisches sei zwischen den Betrachtungen der individuellen Schicksale zu finden. Wartusch ist angetan vom Metaphernreichtum, von der Bildlichkeit und Dichtheit der Sprache, die seiner Ansicht nach - trotz einiger Versäumnisses des deutschen Lektorats, auf die der Rezensent verweist - die Qualität des Romans ausmachen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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