Auf den ersten Blick sind Gemeinwohl und Gemeinsinn überholte, alteuropäische Begriffe, wie aber erklärt sich ihre Überlebensfähigkeit in der Moderne und ihr verbreitete Präsenz in aktuellen sozio-politischen Diskursen? Die vierbändige Edition präsentiert Forschungsergebnisse der Interdisziplinären Arbeitsgruppe "Gemeinwohl und Gemeinsinn" an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zur Aktualität des Gemeinwohl-Ideals als Ziel politischen Handelns und zur Bedeutung der sozial-moralischen Ressource Gemeinsinn in modernen Gesellschaften. Im ersten Band wird gezeigt, dass die schon in der Antike geprägten Begriffe Gemeinwohl und Gemeinsinn semantisch nie eindeutig und politisch immer umstritten waren. Dennoch konnten sie gerade wegen ihrer wechselnden Orientierungsfunktion zu politisch-sozialen Leitbegriffen avancieren.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Nach vier Jahren Forschung hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe "Gemeinwohl und Gemeinsinn" der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ihre Erkenntnisse in vier Bänden niedergelegt, die Rezensent Friedrich Wilhelm Graf studiert hat. Dabei spannt sich der Bogen von der Geschichte der Begriffe Gemeinwohl und Gemeinsinn von der Antike mit der "res publica" über das Mittelalter bis in die Gegenwart im ersten Band über die rhetorischen Nutzung dieser Begriffe bis hin zu deren Einsatz in der aktuellen Politik, wie Graf bemerkt. Was der Rezensent jedoch vermisst, ist die religiöse Perspektive. Angelehnt an den Versuch der Autoren, aus christlicher und eigennütziger Perspektive eine neue Sicht zu schaffen, argumentiert er, dass dies ohne Vorbildung und die christliche Einsicht in die eigene Hilfsbedürftigkeit nicht möglich ist: "Prozedurale Aushandlung allein kann jedenfalls keine starke Motivationskraft entfalten, die 'alle beseelt'."
© Perlentaucher Medien GmbH
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