Dieses lange Gedicht besteht aus lauter kurzen Gedichten - ein widersprüchlicher Zusammenhang, wie er zustande kommt, wenn das Schreiben den Sprüngen der Assoziationen, dem permanenten Zeitenwechsel, dem Hin und Her zwischen Aktualität und Erinnerung folgt. Ein journalhaftes Schreiben, das nach den Bestandteilen der Biographie sucht und wo sie auftauchen im täglichen Geschehen, im Repertoire der Medien und Bilder, in Sprechweisen und Zitaten, in vergangenen Zeiten. Indem der Verfasser dabei den Spuren des eigenen Lebens nachgeht, bewegt er sich zugleich im Erfahrungsraum der Zeitgenossen, vergegenwärtigt er ein Früher, das im Hier und Heute weiterwirkt. Eine Geschichte von Stimmungen und Erfahrungen, aufgereiht in einer Gedichtkette, die ein ganzes Jahrhundert mit sich zieht, vom Steckrübenwinter des Ersten Weltkriegs bis zur Italienischen Woche beim nächsten Discounter. Jeder Augenblick hat seine Biographie... Jede Situation hat eine Geschichte, die man kennen muß, um das Woher und Wieso zu verstehen.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Eberhard Geisler lobt die Unverdrossenheit in den Journalgedichten von Jürgen Becker. In seinen Langgedichten vermischt er Erinnerungen an seine Jugend aus dem Zweiten Weltkrieg, den Einmarsch der Roten Armee und die Vertreibung seiner Familie mit Aktuellem, Asylanträgen, Klimakonferenzen und Fremdenhass. Dabei gelingt es ihm, so Geisler, trotz seines hohen Alters frisch und überraschend zu bleiben. Den prosaischen Titel des Werkes, "Graugänse über Toronto", beschreibt der Rezensent als eine Anlehnung an die Einsichten der Ästhetik, die bestimmend sind für die Moderne: ein Bürgertum das sich hauptsächlich für seine Geschäfte interessiert und die langsame Zubetonierung Europas, vor der Jürgen Becker immer warnte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Orte und Zeiten wechseln, Stationen und Plätze, Menschen tauchen auf und verschwinden. Was davon bleibt, sind Fotografien, mehr oder weniger gut belichtet. Becker weiß wie kein anderer von diesen Vorgängen, er leuchtet aus, und manches Bild, davon spricht er, ist dem Vergessen anheimgegeben. Und doch ist das Vergessen kein schwarzes Loch ... « Tom Schulz Neue Zürcher Zeitung 20180223







