Die Raniden sind die mit Abstand am besten wissenschaftlich untersuchten Amphibien Europas. Der Wasserfrosch ist bereits seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ein Modellorganismus der taxonomischen Artendifferenzierung, mittlerweile durch molekulargenetische Methoden ergänzt und auf andere Gattungen
erweitert. Diese grundlegende Fragestellung durchzieht den Band III B des Handbuchs der Reptilien und…mehrDie Raniden sind die mit Abstand am besten wissenschaftlich untersuchten Amphibien Europas. Der Wasserfrosch ist bereits seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ein Modellorganismus der taxonomischen Artendifferenzierung, mittlerweile durch molekulargenetische Methoden ergänzt und auf andere Gattungen erweitert. Diese grundlegende Fragestellung durchzieht den Band III B des Handbuchs der Reptilien und Amphibien Europas wie ein roter Faden und macht ihn damit zur mit Abstand aktuellsten und taxonomisch differenziertesten Monografie zu den europäischen Raniden.
Schon im Einleitungskapitel wird der „Wasserfroschkomplex“ als ein taxonomisch fließendes und evolutionär sehr junges Feld beschrieben, an dem sich anhand biogeographischer Muster Fragen der Artenbildung und Hybridisierung gut darstellen lassen.
Der Hauptteil folgt der für die Reihe typischen, streng systematischen Gliederung. Die Abschnitte zur Morphologie der jeweiligen Arten berücksichtigen neben dem allgemeinen Phänotyp Geschlechtsdimorphismen, die Larvalmorphologie sowie Strukturen mit diagnostischem Wert, meist in Zeichnungen anschaulich dargestellt. Regionale Vorkommen, Arealgrenzen und Populationstrends werden detailliert diskutiert, inklusive Überlappungen mit Arealen verwandter Arten und entsprechender Hybridisierung. In diesem Zusammenhang werden auch die ökologische Plastizität von Ursprungsarten und Hybriden beleuchtet. Aspekte der Verhaltensbiologie umfassen Habitatpräferenzen, saisonale Aktivitätsmuster (Überwinterungsstrategien, Wanderverhalten), aber auch Rufverhalten und die Ernährungsökologie. Aus Beobachtungsdaten zur Populationsdynamik, Klimaprognosen, der Einschätzung anthropogener Einflüsse (Habitatfragmentierung, Gewässerverlust, Pestizide, Krankheiten wie Chytridiomykose) und den ökologischen Randbedingungen leiten sich Schlussfolgerungen zur Gefährdung und sinnvollen Schutzmaßnahmen ab und verbinden damit außergewöhnlich differenziert Aspekte der Grundlagenforschung mit praktischen Anforderungen des Artenschutzes. Die Darstellung der Arealbildung integriert paläogeographische Prozesse, pleistozäne Refugialräume und postglaziale Expansionen – ein Aspekt, der das Verständnis der heutigen Verbreitung maßgeblich prägt.
Die Autoren berücksichtigen selbst jüngste Literatur, zum Teil aus „exotischen“ Sprachräumen, was den dezidiert enzyklopädischen Anspruch unterstreicht. Die Eindringtiefe geht in jeglichem Aspekt weit über einen Feldführer hinaus, als der dieser Band weder konzipiert noch geeignet ist. Die Monografie eines kryptischen Artenkomplexes stellt besondere Anforderungen an die systematische Aufarbeitung, was den Autoren hervorragend gelingt: Klare Argumentationslinien, das Herausstellen von Unsicherheiten und vorsichtige Interpretation waren hier erkennbar die Richtschnur.
Die Reihe setzt auch mit dem vorliegenden Band wieder Maßstäbe in der Erforschung europäischer Froschlurche. Die Kombination aus taxonomischer Strenge, breit gefächerter ökologischer Analyse und hoher Detailtiefe macht den Band zu „dem“ Referenzwerk für Herpetologen und Naturschutzbehörden.