Die maßgebliche neue Biografie eines der bedeutendsten deutschen Komponisten des 20. Jahrhunderts
Hanns Eisler war in Wien einer der bekanntesten Schüler von Arnold Schönberg. Den überzeugten Kommunisten zog es in den 20er Jahren nach Berlin. Das Elitäre der Avantgarde war ihm stets ein Dorn im Auge, weshalb er Arbeiterlieder und Gassenhauer in 12-Ton-Technik komponierte. Er floh vor den Nazis nach Hollywood, wo er mit Bertolt Brecht, Charlie Chaplin und Thomas Mann zusammenkam und für den Oscar nominierte Filmmusik schrieb. Wegen seiner politischen Haltung aus den USA ausgewiesen, ging er nach dem 2. Weltkrieg in die DDR - und schrieb eine der schönsten Nationalhymnen: »Auferstanden aus Ruinen ...«. Als streitbarer Geist kam er immer wieder in Konflikt mit dem DDR-Regime, weshalb er seine österreichische Staatsbürgerschaft nie ablegte. Friederike Wißmann erzählt eine spannende Komponistenbiografie und ein Stück packende Zeitgeschichte. Erstmals ist darin auch von Eislers Frauen die Rede.
Hanns Eisler war in Wien einer der bekanntesten Schüler von Arnold Schönberg. Den überzeugten Kommunisten zog es in den 20er Jahren nach Berlin. Das Elitäre der Avantgarde war ihm stets ein Dorn im Auge, weshalb er Arbeiterlieder und Gassenhauer in 12-Ton-Technik komponierte. Er floh vor den Nazis nach Hollywood, wo er mit Bertolt Brecht, Charlie Chaplin und Thomas Mann zusammenkam und für den Oscar nominierte Filmmusik schrieb. Wegen seiner politischen Haltung aus den USA ausgewiesen, ging er nach dem 2. Weltkrieg in die DDR - und schrieb eine der schönsten Nationalhymnen: »Auferstanden aus Ruinen ...«. Als streitbarer Geist kam er immer wieder in Konflikt mit dem DDR-Regime, weshalb er seine österreichische Staatsbürgerschaft nie ablegte. Friederike Wißmann erzählt eine spannende Komponistenbiografie und ein Stück packende Zeitgeschichte. Erstmals ist darin auch von Eislers Frauen die Rede.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Friederike Wißmann hat ein Buch über Hanns Eisler geschrieben, den Schönberg-Schüler und Komponisten der DDR-Nationalhymne. Rezensent Lorenz Jäger sieht in ihrem Buch allerdings eher eine biografisch informierte Analyse seines Werkes als eine tatsächliche Biografie. Vollkommen glücklich scheint er nicht, wobei in seiner Rezension stellenweise unklar bleibt, wann er sich auf sie bezieht und wann er aus seinem eigenem Wissen schöpft. Besonders das Vorwort Peter Hamms tue einzelnen Aufnahmen Eislers - aber auch Wegbegleitern wie Johannes R. Becher - stellenweise Unrecht. Eisler sei nicht nur ein Meister des Kampfliedes, sondern auch zu feineren Tönen fähig gewesen, schreibt Jäger. Überhaupt sei der Komponist ungemein aktiv gewesen und habe beispielsweise auch bedeutende Filmmusiken geschrieben. Neben Eisler spiele Brecht in Wißmanns Buch die bedeutendste Nebenrolle. Jäger findet, wer sich mit dem deutsch-österreichischen Kommunismus in all seinen Facetten beschäftigen wolle, komme um die Familie Eisler nicht herum.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Meister der Agitation und musikalische Naturgewalt: Eine neue fundierte Analyse des Lebenswerks des Komponisten Hanns Eisler.
Wer den deutschen oder besser deutsch-österreichischen Kommunismus in seinen größten Begabungen und in seiner tiefsten Schmach, im brennendsten Glauben und in der schließlichen Abtrünnigkeit wirklich kennen will, muss sich mit der Familie Eisler beschäftigen. Gerhart, der ältere Bruder, wurde Agent der Internationale und später ein Medien-Mann in der DDR. Elfriede, die sich später Ruth Fischer (nach dem Mädchennamen der Mutter) nannte, stieg Anfang der zwanziger Jahre für kurze Zeit in die oberste Führung der KPD auf, wo sie eine abenteuerlich-linksradikale Politik verfolgte - ihre Eröffnung "Hochverehrtes Affentheater" bei einer Parlamentsrede wurde berüchtigt -, bis sie ausgebootet wurde und sich in die härteste Antikommunistin verwandelte, bei den Verhören unter dem Senator McCarthy sogar ihre Brüder beschuldigte. Nibelungenland.
Tatsächlich spielten die Kinder Eisler, wie die Frankfurter Musikwissenschaftlerin Friederike Wißmann in ihrem Buch erzählt, ein Nibelungen-Spiel, das Gerhart in seinen Erinnerungen überlieferte: "Frizzi, Hanns und ich als Kriemhild, Siegfried und Gunther." Hanns - das war der Komponist Hanns (eigentlich Johannes) Eisler. Rudolf Eisler, der Vater, war ein Philosoph jüdischer Herkunft, der ohne Amt blieb, aber ein sehr brauchbares philosophisches Wörterbuch herausbrachte. Die Mutter stammte aus einfachen Verhältnissen und war keine Jüdin.
Eine Spannung der "Klassenherkunft", wie man marxistisch sagen müsste, war also angelegt, und beruhigte Lebensgeschichten waren von den Kindern dieser Familie in der Epoche des Weltbürgerkrieges nun einmal nicht zu erwarten. Für Hanns Eisler war von Beginn an das Komponieren, das er sich zunächst autodidaktisch beibrachte, eingebunden in eine Szene des intellektuell diskussionsfreudigen Elternhauses, später dann in die Debatten sozialistischer Schülerzirkel. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er von Arnold Schönberg als Schüler angenommen. Und Eisler verdankt man eine der lichtvollsten Charakteristiken seines Lehrers: "Er ist der wahre Konservative: er schuf sich sogar eine Revolution, um Reaktionär sein zu können (. . .) Das Hauptsächliche, was ich Schönberg verdanke, ist, ich glaube, ein richtiges Verständnis der musikalischen Tradition der Klassiker."
Aber nun kam auch wieder der politisierte Musiker ins Spiel. Eisler war mit Neigungen und Abbiegungen der strengen Zwölftontechnik in populärere Gebiete nicht heikel, wie man sich überhaupt die Schönberg-Schule nicht als zu homogen vorstellen sollte. Und so wurde er Ende der zwanziger Jahre zum Meister des Kampfliedes. Theodor W. Adorno, der Eisler schon früh im Kreis der Zweiten Wiener Schule kennengelernt hatte, schrieb damals, der praktische Nutzen, der "agitatorische Wert und damit das politische Recht" von Eislers Werken seien unbestreitbar, aber wo sie sich zur eigenständigen Form der Musik erklärten, erwiesen sie sich als "fragwürdige Mischungen" überholter Stilformen - und fast möchte man diesen Warnhinweis als Vorahnung der von Eisler komponierten DDR-Nationalhymne "Auferstanden aus Ruinen" nehmen.
Aber was Adorno als fragwürdig erschien, war nun gerade die eigenste Gabe Eislers, nämlich eine unbändige kompositorische Lebhaftigkeit, eine musikalische Naturkraft, die geradezu nach Gelegenheiten der Tätigkeit suchte, mochten sie auch der reinen Kunstmusik noch so fern liegen. Was hat er nicht alles geschrieben: bedeutende Filmmusiken wie die zu Fritz Langs "Hangmen Also Die" oder zu "Nacht und Nebel" von Alain Resnais (einem Film über die Deportationen). Dann natürlich die erwähnte Hymne, in deren Teilen das Staatstragende und das vom schärferen Kampflied Hergekommene sich eigentümlich mischen. Und nicht nur Kampflieder, sondern auch so zarte wie das wundervolle, in höchster Einfachheit ganz in sich vollendete "An den kleinen Radioapparat" nach einem Gedicht von Bertolt Brecht.
Ganz zu Unrecht nennt Peter Hamm in seinem Vorwort zu dem Buch die Aufnahme, die Dietrich Fischer-Dieskau, begleitet von dem Pianisten Aribert Reimann, von diesem Lied machte, ein "peinliches interpretatorisches Missverständnis von Eislers Intentionen". Das ist nicht nur taktlos, es ist einfach Unsinn. Das Buch Friederike Wißmanns trägt absichtlich nicht den Titel "Biographie". Es ist auch keine, sondern eher eine biographisch informierte und oft glückliche musikalische Analyse von Eislers Werk. Gelegentlich gibt es phrasenhafte Passagen ("der charismatische Regisseur Joseph Losey", "die charismatische Lou"), und die zeitgeschichtlichen Kontexte wirken manchmal etwas bemüht und sind nicht immer mit der Lupe zu betrachten, aber im Großen und Ganzen jedenfalls verständlich.
Um noch einmal von Eislers Liedern zu reden: Bis heute haben die "Neuen Deutschen Volkslieder", an denen er mit Johannes R. Becher in der frühen DDR arbeitete, kein rechtes Echo gefunden; dabei gibt es auch hier ein so ungemein schönes wie "Die alten Weisen": "Wenn sich die Wipfel neigen / allabendlich im Winter, / dann gehn durch unser Schweigen / sie, die gefallen sind." Es berührt nicht angenehm, wenn Peter Hamm bei dieser Gelegenheit im Vorwort von den "einfältigen Gedichten des zum Kultusminister aufgestiegenen Johannes R. Becher" spricht. Man könnte sich einmal die Frage stellen, wer denn im Westen Deutschlands damals so ergreifend ins Lied gefasst hätte, was alle Herzen bewegte. Becher jedenfalls wartet, anders als Brecht, der in diesem Buch die wichtigste Nebenrolle spielt, noch auf historische Gerechtigkeit.
LORENZ JÄGER
Friederike Wißmann: "Hanns Eisler". Komponist, Weltbürger, Revolutionär.
C. Bertelsmann Verlag, München 2012. 304 S., geb., 19,99 [Euro].
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