Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 27,00 €
  • Gebundenes Buch

Produktdetails
  • Verlag: Kremayr & Scheriau
  • 1995.
  • Seitenzahl: 222
  • Deutsch
  • Abmessung: 250mm
  • Gewicht: 776g
  • ISBN-13: 9783218006033
  • ISBN-10: 3218006031
  • Artikelnr.: 05987982
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Wolfgang Fleischer, Jahrgang 1952, ist Fachgebietsleiter Militärtechnik im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden und Gastdozent für historische Kampfmittel an der Sprengschule Dresden. Der Militärhistoriker veröffentlichte eine ganze Reihe von Büchern und Beiträgen zu Waffen, Munition, Kampfmitteln und Heeresfahrzeugen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.1995

Herr im Treppenhaus
Eine außergewöhnliche Bildmonographie zu Heimito von Doderer / Von Ulrich Weinzierl

Heimito von Doderer kannte seine geheimsten Wünsche: "viel Geld, um in einer Folge schwerster sexueller Excesse, sinnloser Saufereien und dementsprechender Gewalthändel endgültig unterzugehen." Allein, die Macht der Konvention erwies sich als stärker, vertraute doch der fünfundfünfzigjährige Dichter der "Strudlhofstiege" seinem Tagebuch an: "Statt dessen hab' ich das weitaus gewagtere Abenteuer der Tugend gewählt." Das, keine Frage, klingt so nobel wie asketisch und wäre geeignet, den Grundstein zu einer Legende, ja zum Mythos zu legen. Der Abenteurer der Tugend schien ausschließlich für sein OEuvre zu leben. In den Texten des klassizistischen Romanarchitekten und Produzenten heiterer Groteskprosa ging die Figur des Sprachkünstlers völlig auf: Sie wurde gleichsam sublimiert. Von der eigenen Person müsse der Schriftsteller durchaus absehen - er sei, behauptete Doderer dezidiert, nicht mehr als "ein Herr unbestimmbaren Alters, der einem dann und wann im Treppenhaus begegnet". Diese Diskretion bis hin zur Auslöschung des Privaten wollte er auch und gerade auf sich selbst angewendet wissen.

Kaum verwunderlich daher, daß bis heute keine Biographie Doderers vorliegt, die einen solchen Namen verdient. Die erste dürfte 1996, zum hundertsten Geburtstag des Wiener Meistererzählers, erscheinen. Ihr Verfasser, Wolfgang Fleischer, war in den letzten Jahren vor Doderers Tod dessen Privatsekretär. Auf dem Weg zum umfassenden Porträt entstand eine außergewöhnliche Bildmonographie mit einer Fülle bis dato meist unbekannter Fotos. Mancherlei in dieser exemplarischen Vita zeigt sich dadurch, auch dank kluger Kommentare zu den einzelnen Dokumenten, in neuem Licht. Doderers Elternhaus zum Beispiel - "Wer sich in Familie begibt, kommt darin um", meinte er - galt als wohlhabend, indes gehörte der Bauunternehmerclan zu Kakaniens reichster Schicht. Aus patriotischen Motiven investierte der Vater sein Vermögen in Kriegsanleihen und verlor es fast zur Gänze. Daß der Fähnrich Heimito von Doderer in den vier Jahren Gefangenschaft in Sibirien zur literarischen Existenz fand, ist bekannt. Keineswegs allgemeines Bildungsgut waren aber seine homoerotischen Beziehungen zu Offizierskameraden unter den "Sibiriaken". Sie stellten, so Wolfgang Fleischers gelassene Erläuterung, "für den bisexuell veranlagten Doderer kein besonderes Problem dar".

Des angehenden Autors problematischer Charakter in persönlicher und politischer Hinsicht, die erste, stürmisch verquälte Ehe mit Gusti Hasterlik und seine Hinwendung zum Nationalsozialismus, von dem er sich weniger ideologisches Heil als materielle Förderung erhoffte, werden ausführlich und mit angemessener Nüchternheit erörtert. Doch Doderer vermochte sich von der Verblendung durch die "zweite Wirklichkeit" zu befreien, indem er statt des Abenteuers der Tugend die Tugend der Selbstdisziplin wählte. "Mein eigentliches Werk besteht, allen Ernstes, nicht aus Vers oder Prosa, sondern in der Überwindung meiner Dummheit", sollte er von sich sagen.

Naturgemäß kommen in Fleischers Band Literaturdetektive auf ihre Kosten. Reale Vorbilder einiger von Doderers Romangestalten - etwa Gräfin Lotte Paumgarten für Quapp oder der Karikaturist Béla Faludy für Imre Gyurkicz in den "Dämonen" - werden plötzlich optisch greifbar. Der Kauz und Poseur Heimito von Doderer, der sich einst gerne als spärlich bekleideter Bogenschütze ablichten ließ, blickt vor allem auf den späteren Schnappschüssen des öfteren gar nicht fröhlich drein, im Gegenteil: Er wirkt in Düsternis und Melancholie des Alternden versunken. "Erst bricht man Fenster. Dann wird man selbst eines." Trauriger und schöner zugleich als mit seinen Worten ist Doderers ästhetische Lebensleistung nicht zu beschreiben.

Wolfgang Fleischer: "Heimito von Doderer. Das Leben, das Umfeld des Werks in Fotos und Dokumenten". Mit einem Vorwort von Wendelin Schmidt-Dengler. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 1995. 224 Seiten, 250 Abb., geb., 79,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr