Basierend auf den Hexenprozessen von 1590 in North Berwick schlägt die Autorin gekonnt eine Brücke in die Gegenwart. Der feministische Kampf ist noch längst nicht zu Ende gefochten. Sehr große Leseempfehlung!
Iris, ein Medium, reist am 1. August 2021 zurück in die Vergangenheit. Mittels Séancen
und Astralreisen trifft sie auf Geillis Duncan, die am 4. Dezember 1591 durch den Strang in Edinburgh…mehrBasierend auf den Hexenprozessen von 1590 in North Berwick schlägt die Autorin gekonnt eine Brücke in die Gegenwart. Der feministische Kampf ist noch längst nicht zu Ende gefochten. Sehr große Leseempfehlung!
Iris, ein Medium, reist am 1. August 2021 zurück in die Vergangenheit. Mittels Séancen und Astralreisen trifft sie auf Geillis Duncan, die am 4. Dezember 1591 durch den Strang in Edinburgh an der High Street hingerichtet wurde.
Iris verwandelt sich in einen Raben, nimmt Kontakt mit der fünfzehnjährigen Geillis auf, und teilt mit ihr die letzten bangen Stunden vor ihrer Hinrichtung.
Der Hintergrund sind die Hexenprozesse von North Berwick, die zwischen 70 und 200 Menschen das Leben gekostet hatten. Es seien alles Hexen gewesen. Sie sind für die absurdesten Sachen (wie damals so üblich) verurteilt worden. Unter schlimmer Folter gesteht man ja schließlich irgendwann alles. Ausgehend für diesen Wahnsinn war ein Hexenprozess in Kopenhagen. Anna Koldings wurde angeklagt, durch Hexerei verhindert zu haben, dass Prinzessin Anna nicht direkt zur Hochzeit mit König Jakob VI. nach Schottland reisen konnte. Der schottische König Jakob VI (ziemlich geistig umnachtet) nahm diese Gedanken mit Freuden auf, und mittels David Seaton wurde eine Verbindung zu Geillis Duncan geschlagen.
Geillis war seit zwei Jahren Hausmädchen bei Seaton – verrichtete alle aufgebürdeten Arbeiten. Sie wurde instrumentalisiert, um die reiche Euphame MacCalzean zu denunzieren, damit deren Ehemann ihr Geld erben kann. Als offiziellen Grund werden den Frauen Hexereien angelastet, so hätten sie doch ebenfalls Stürme über die Nordsee geschickt. Ein Widerrufen des unter Folter herausgepressten Geständnisses brachte nichts mehr, erst recht nicht vor dem Pfarrer, der vor der Hinrichtung voller Ekel mit Geillis in Ausübung seiner Pflicht (und nicht freiwillig) sprach.
Iris will Geillis in ihren letzten Stunden beistehen. Und sie auch nochmals ermutigen, die Wahrheit vor dem geifernden Pöbel bei der Hinrichtung hinauszuposaunen, denn der Kampf um Wahrheit und Gleichstellung wird nicht (nie?) enden.
Auch in 500 Jahren erinnert man sich noch an sie, an ihren mutigen Kampf. Und auch in 500 Jahren kämpfen die Frauen immer noch um Gerechtigkeit. Denn die Männer sind nach wie vor Verhinderer der Gleichstellung.
S. 48: „Vorsicht, was die Motive der Männer angeht. Macht einen Buckel! Es ist ein großes Unglück für eine Frau groß zu sein […] Keine hohen Absätze! Das Klick-Klack-Klick ist ein Morsezeichen für Vergewaltiger. Es bedeutet, dass ihr Urteil nachsichtig sein wird. Oder es gar keines gibt. Wenn sie nicht Stöckelschuhe getragen hätte. Wenn sie nicht durch den Park gegangen wäre. Wenn sie abends doch zu Hause geblieben wäre.“
Das Buch arbeitet sehr gekonnt die historischen Begebenheiten rund um die Hexenprozesse auf, und schlägt eine Brücke in die heutige Zeit. Vieles hat sich nicht geändert. Die Männer sind nach wie vor misogyne Täter, können mehr oder weniger tun und lassen was sie wollen. Bewährt seit Tausenden von Jahren, denn laut Kirche sind ja die Frauen an allem Übel der Welt schuld.
S. 47: „Wie können Frauen die Wahrheit sagen, wo wir doch den Garten Eden zerstört und anfällig für Betrug und Böses sind? […] Nimm ihr das Einzige, was sie hat – ihre Stimme, ihren Geist. Nimm es. Zermahle es zu etwas Pestartigem. […] Macht ist nicht etwas, das Frauen leicht zugestanden wird – wenn überhaupt … ganz zu schweigen davon, diese dann auch auszuüben.
Nicht nach dem Gesetz!
Die Kirche sagt Nein.“
Der Kampf der Obrigkeit, des Adels, des Klerus‘, Frauen zu unterdrücken, ist seit Äonen ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Die Autorin schafft es mit diesem gerade mal 140 Seiten starken, sehr augenfreundlich gesetztem Buch, auf viele Missstände hinzuweisen. Sie verknüpft diese sehr gut mit den historischen Ansätzen, lässt abwechselnd Geillis und Iris zu Wort kommen.
Die Hexenverfolgungen mögen abgenommen haben, aber sie leben auch heute noch in einer anderen Art und Weise weiter. Das Buch ist ein feministischer Aufschrei um Gerechtigkeit.
Eine Triggerwarnung möchte ich noch ausgeben: Die beschriebenen Folterszenen, oder die multiplen Vergewaltigungen von Geillis, sind harter Tobak.
Aber die Realität ist nicht wirklich besser.
Für diesen Roman gebe ich eine sehr große Leseempfehlung! Lest es! Besonders ihr Männer, die immer noch glauben, Frauen seien Freiwild und minderwertige Menschen.