Der homo sacer ist die Verkörperung einer archaischen römischen Rechtsfigur: Zwar durfte er straflos getötet, nicht aber geopfert werden, was auch seine Tötung sinnlos und ihn gleichsam unberührbar machte - woraus sich der Doppelsinn von sacer als 'verflucht' und 'geheiligt' ableitet. Giorgio Agamben stellt im Anschluß an Foucault und als philosophische Korrektur von dessen Konzept der Biopolitik die These auf, daß Biopolitik, indem sie den Menschen auf einen biologischen Nullwert zurückzuführen versucht, das nackte Leben zum eigentlichen Subjekt der Moderne macht. Ausgehend von Carl Schmitts…mehr
Der homo sacer ist die Verkörperung einer archaischen römischen Rechtsfigur: Zwar durfte er straflos getötet, nicht aber geopfert werden, was auch seine Tötung sinnlos und ihn gleichsam unberührbar machte - woraus sich der Doppelsinn von sacer als 'verflucht' und 'geheiligt' ableitet. Giorgio Agamben stellt im Anschluß an Foucault und als philosophische Korrektur von dessen Konzept der Biopolitik die These auf, daß Biopolitik, indem sie den Menschen auf einen biologischen Nullwert zurückzuführen versucht, das nackte Leben zum eigentlichen Subjekt der Moderne macht. Ausgehend von Carl Schmitts Souveränitätskonzept, kommt Agamben zu einer Interpretation des Konzentrationslagers als "nomos der Moderne", wo Recht und Tat, Regel und Ausnahme, Leben und Tod ununterscheidbar werden. In den zwischen Leben und Tod siechenden Häftlingen, aber auch in den Flüchtlingen von heute sieht er massenhaft real gewordene Verkörperungen des homo sacer und des nackten Lebens. Die philosophische Begründung dessen, daß diese Möglichkeit keineswegs nur historisch ist, hat eine Diskussion entfacht, die weit über Italien und Europa hinausreicht.
Originaltitel: Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita
Artikelnr. des Verlages: ES 2068
13. Aufl.
Seitenzahl: 224
Erscheinungstermin: Dezember 2011
Deutsch
Abmessung: 177mm x 108mm x 14mm
Gewicht: 140g
ISBN-13: 9783518120682
ISBN-10: 3518120689
Artikelnr.: 07367128
Herstellerkennzeichnung
Suhrkamp Verlag
Torstraße 44
10119 Berlin
info@suhrkamp.de
Autorenporträt
Giorgio Agamben wurde 1942 in Rom geboren. Er studierte Jura, nebenbei auch Literatur und Philosophie. Der entscheidende Impuls für die Philosophie kam allerdings erst nach Abschluß des Jura-Studiums über zwei Seminare mit Martin Heidegger im Sommer 1966 und 1968. Neben Heidegger waren seitdem Michel Foucault, Hannah Arendt und Walter Benjamin wichtige Bezugspersonen in Agambens Denken. Als Herausgeber der italienischen Ausgabe der Schriften Walter Benjamins fand Agamben eine Reihe von dessen verloren geglaubten Manuskripten wieder auf. Seit Ende der achtziger Jahre beschäftigt sich Agamben vor allem mit politischer Philosophie. Er lehrt zur Zeit Ästhetik und Philosophie an den Universitäten Venedig und Marcerata und hatte Gastprofessuren u.a. in Paris, Berkeley, Los Angeles, Irvine.
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Der Veroneser Philosophieprofessor ist längst ein Geheimtipp, behauptet Urich Raulff und bedauert, dass der Suhrkamp Verlag dieses Werk des deutschesten unter den ausländischen Philosophen Jahre nach seinem erstmaligen Erscheinen der deutschen Öffentlichkeit präsentiert. Aber heute ist es soweit, und gleich am ersten Erscheinungstag schreitet Raulff zur Tat und stellt den Lesern diesen an Foucault einerseits und an deutsche Philosophen wie Heidegger, Arendt, Kantorowicz und Schmitt anschließenden Denker vor. Raulff erläutert den Titel des Buches "Homo sacer": dies sei ein Begriff aus dem römischen Recht, der einen Mensch bezeichnet, "der 'heilig' ist, obwohl oder weil er im Bann steht", schreibt Raulff. Er stehe für die Grenze zwischen göttlichem und menschlichem Recht, für den politischen Raum, in dem man "töten kann, ohne einen Mord zu begehen". Raulff schlägt mit Agamben einen großen Bogen zu Foucault, wonach sich tendenziell jede Politik in Biopolitik verwandele, d.h. die Grenzen des Lebens und die Entscheidung über das Leben immer ununterscheidbarer würden. Ähnlich wie Wolfgang Sofksy, wenn auch mit anderen Begriffen, betreibe Agamben eine Untergrabung der Zivilisationsgeschichte, meint Raulff, aus der sich jeder Geschichtsoptimismus verflüchtigt habe. Eine Selbstreflexion des Agamben'schen Theoriestandorts steht für Raulff noch aus.