Die junge Algerierin Aube hat den Bürgerkrieg der 1990er-Jahre selbst miterlebt, davon zeugt nicht zuletzt die Narbe, die ihren Hals wie ein Lächeln umspannt. Beim Überfall auf ihr Dorf hatten Islamisten versucht, ihr die Kehle durchzuschneiden, doch allein ihre Stimmbänder wurden erfasst. Nicht nur die fehlende Stimme bringt Aube nun zum Schweigen, sondern auch die staatlichen Gesetze, die verbieten, an den damaligen Bürgerkrieg zu erinnern. Ihr Schmerz und ihre Auflehnung dringen nicht nach außen. Einzig an die Tochter, die in ihrem Inneren heranwächst, kann Aube ihre Worte richten. Denn die geheime Schwangerschaft konfrontiert die junge Algerierin mit Fragen über die furchtbare Vergangenheit und eine düstere Zukunft: Hat sie das Recht, ihr Kind zu behalten? Kann sie Leben schenken, wenn es ihr selbst fast entrissen wurde? Aube kehrt zurück in ihr Heimatdorf, wo alles begann, und sucht Antworten bei den Toten.
Mit Huris gibt Kamel Daoud algerischen Frauen das Wort und stellt sich gegen das noch immer verordnete Vergessen des Bürgerkriegs und seiner Schrecken. Eine ziselierte Erzählung mit ebenso poetischer wie politischer Kraft.
Mit Huris gibt Kamel Daoud algerischen Frauen das Wort und stellt sich gegen das noch immer verordnete Vergessen des Bürgerkriegs und seiner Schrecken. Eine ziselierte Erzählung mit ebenso poetischer wie politischer Kraft.
Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension
Rezensentin Karen Krüger widmet Kamel Daouds "Huris", einem der wichtigsten Romane dieser Saison, eine ausführliche Besprechung, in der sie auch die Klage der Algerierin Saada Arbane, die Daoud vorwirft, ihre Geschichte zu erzählen, auffächert. Ganz gleich, wie der Prozess ausgeht, die Kritikerin empfiehlt unbedingt die Lektüre des Romans, der in Algerien verboten ist. Erzählt wird die Geschichte von Aube, der während des schwarzen Jahrzehnts im Jahr 1999 von Islamisten die Kehle durchgeschnitten wird: Im Gegensatz zu ihrer Schwester überlebt Aube, sprechen ist ihr allerdings kaum noch möglich. Rauchend, tätowiert und ohne Kopftuch betreibt Aube später einen Schönheitssalon, wo sie unter anderem Schamhaare epiliert. Bald wird sie schwanger, und erzählt ihre Geschichte nicht nur ihrem ungeborenen Kind "Huris", sondern reist auch in ihr Heimatdorf zurück, wo sie auf Opfer und Täter trifft. Es ist nicht nur dieser Blick auf ein verdrängtes Kapitel algerischer Geschichte, der die Kritikerin in den Bann schlägt - auch der Frage, wie auf der Basis von Verdrängung eine Gesellschaft aufgebaut werden kann, folgt sie hier mit Daoud. Und wie der Autor zwischen den Tönen switcht, voller Poesie und zugleich "eiskalt" von der brutalen Gewalt erzählend, ringt der Rezensentin außerdem Anerkennung ab.
© Perlentaucher Medien GmbH
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