Es ist Sommer in diesem Buch, auch wenn sich die Natur oftmals nicht daran hält, die Blumen erst winzige Knospen tragen oder längst schon wieder verblüht sind. Es ist Sommer in diesem Buch, weil das Sommerlicht angeknipst ist: mal gleißend hell, mal gewitterwolkig verdüstert, ein magisches Licht zugleich, das Uhr und Kompaß außer Kraft, zeitlich und räumlich Getrenntes dafür mühelos in eins setzt - etwa wenn die Rußlandreisende in die rollenden Wellen der Newa und das dampfende Bassin des städtischen Freibads zugleich blickt. Die Poetik dieser Gleichzeitigkeit alles Ungleichzeitigen formuliert…mehr
Es ist Sommer in diesem Buch, auch wenn sich die Natur oftmals nicht daran hält, die Blumen erst winzige Knospen tragen oder längst schon wieder verblüht sind. Es ist Sommer in diesem Buch, weil das Sommerlicht angeknipst ist: mal gleißend hell, mal gewitterwolkig verdüstert, ein magisches Licht zugleich, das Uhr und Kompaß außer Kraft, zeitlich und räumlich Getrenntes dafür mühelos in eins setzt - etwa wenn die Rußlandreisende in die rollenden Wellen der Newa und das dampfende Bassin des städtischen Freibads zugleich blickt. Die Poetik dieser Gleichzeitigkeit alles Ungleichzeitigen formuliert die Schreiberin selbst: »es sind nicht die Szenen die ich erinnere, es sind vielmehr die diese Szenen begleitenden Sensationen, sage ich zu Ely.« »ich sitze nur GRAUSAM da«, die neue Prosaschrift Friederike Mayröckers, so streng gefügt in Form und Sprache wie üppig wuchernd in Tag- und Nachtträumen, ist ein weiterer Band im radikalen Alterswerk der großen Wiener Dichterin.
Friederike Mayröcker wurde am 20. Dezember 1924 in Wien geboren und starb am 4. Juni 2021 ebendort. Sie besuchte zunächst die Private Volksschule, ging dann auf die Hauptschule und besuchte schließlich die kaufmännische Wirtschaftsschule. Die Sommermonate verbrachte sie bis zu ihrem 11. Lebensjahr stets in Deinzendorf, welche einen nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterließen. Nach der Matura legte sie die Staatsprüfung auf Englisch ab und arbeitete zwischen 1946 bis 1969 als Englischlehrerin an verschiedenen Wiener Hauptschulen. Bereits 1939 begann sie mit ersten literarischen Arbeiten, sieben Jahre später folgten kleinere Veröffentlichungen von Gedichten. Im Jahre 1954 lernte sie Ernst Jandl kennen, mit dem sie zunächst eine enge Freundschaft verbindet, später wird sie zu seiner Lebensgefährtin. Nach ersten Gedichtveröffentlichungen in der Wiener Avantgarde-Zeitschrift "Plan" erfolgte 1956 ihre erste Buchveröffentlichung. Seitdem folgten Lyrik und Prosa, Erzählungen und Hörspiele, Kinderbücher und Bühnentexte.
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Gedichte? Geschichten? Friederike Mayröckers neues Buch "ich sitze nur GRAUSAM da" entzieht sich der Einordnung. Als "schwer klassifizierbare poetische Meditation in Prosa" beschreibt es Alexander Cammann und zeigt sich fasziniert und verzaubert. Manches sei ihm aus dem früheren Werk der Wiener Dichterin vertraut, etwa die Liebe zur Musik, die Bewunderung für den französischen Philosophen Jacques Derrida, florale Motivik, die Nähe zum Traum. Anderes sei neu, davon am auffälligsten die Figur des "Ely", eine Fiktionalisierung ihres verstorbenen Lebensgefährten Ernst Jandl. Als Traumgestalt sei er bereits in früheren Werken aufgetaucht, so der Rezensent, doch hier beschwört Mayröcker ihren geliebten Dichterkollegen mit einer "Intensität und Nähe, als ob er kaum fort wäre".
»Mayröckers weltverwandelnde Prosa zeigt ihm sonst kaum sichtbare Linien ... - er lernt gleichsam sich selbst und seine eigene Welt neu sehen.« Alexander Cammann DIE ZEIT 20120621
»ich sitze nur GRAUSAM da fügt sich da nahtlos ein in die formal und sprachlich avancierten, der Avantgarde verpflichteten und seit mehr als sechs Jahrzehnten wundervoll wuchernden Text- und Bilderlandschaften dieser Autorin.«
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