John Blackthorn ist jedem ein Begriff, der James Clavells Bestseller „Shogun“ gelesen hat oder eine der Verfilmungen kennt. Die wenigsten wissen, dass es eine historische Person gibt, deren Biografie sehr viele Parallelen zu Blackthorn aufweist und die Clavells Vorbild war.
Der „echte“ Blackthorn
hieß William Adams und havarierte im Jahr 1600 mit einem niederländischen Handelsschiff an der Küste…mehrJohn Blackthorn ist jedem ein Begriff, der James Clavells Bestseller „Shogun“ gelesen hat oder eine der Verfilmungen kennt. Die wenigsten wissen, dass es eine historische Person gibt, deren Biografie sehr viele Parallelen zu Blackthorn aufweist und die Clavells Vorbild war.
Der „echte“ Blackthorn hieß William Adams und havarierte im Jahr 1600 mit einem niederländischen Handelsschiff an der Küste Japans und wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem wichtigen Berater des ersten Tokugawa Shoguns Ieyasu. Dieser überschüttete ihn mit Ehrungen, erhob ihn in den Rang eines hohen Samurai, er besaß mehrere große Anwesen in Edo und bei Osaka, heiratete eine adelige Japanerin und bekam mit ihr zwei Kinder. Genau wie Blackthorn durfte auch Adams das Land nicht mehr verlassen und als er es nach dem Tod Ieyasus hätte tun können, war er zu krank dafür und blieb in Japan.
Es ist erstaunlich, wie viele erstklassige Quellen über William Adams bis in unsere Zeit erhalten blieben, die meisten in westlichen Nationen, einige wenige auch in Japan. Der kometenhafte Aufstieg des Engländers (er war bei den Niederländern nur als Navigator angestellt) zog international Kreise. Frederik Cryns ist Historiker am International Research Center for Japanese Studies in Kyoto und spezialisiert auf den Kulturaustausch zwischen Japan und dem Westen in der Tokugawa-Zeit. Seine Biografie über William Adams ist zwar nicht die einzige, aber es sind doch einige Jahre seit der letzten vergangen und es gibt immer wieder neue Entdeckungen in den Archiven. Cryns ist ein akribischer Rechercheur, der buchstäblich jeden Tag rekonstruiert, über den spezifische Informationen bekannt sind. Wer hat wen wann getroffen? Wer war zu welchem Zeitpunkt in welchem Anwesen oder auf dem Weg wohin? Gibt es mehrere unabhängige Quellen, die das bestätigen? Wie wurde Adams in Japan wahrgenommen und wie in der westlichen Welt? Stellenweise wirkt Cryns Bericht wie ein penibles Tagebuch, so detailliert und faktenbeladen sind seinen Ausführungen. Man muss dazu wissen, dass der Autor im japanischen Fernsehen regelmäßig zu diesen Themen Gast ist und Japaner lieben Zahlen, Daten und Fakten über alles. Selbst in den Primetime Nachrichten darf man damit rechnen, dass ein Moderator zu inhaltlich völlig überladenen, selbstgestrickten Power Point Charts referiert (das ist kein Witz!). Diesen Stil hat Cryns geradezu verinnerlicht, was den großen Nachteil hat, dass das Wesentliche oft in den Details untergeht. Er hat auch den Stakkato-Stil vieler japanischer Autoren übernommen, mit extrem kurzen Sätzen, die kaum über 1-2 Zeilen hinausgehen und dementsprechend wenig grammatikalische Varianz und sprachliche Eleganz besitzen. Dem Autor gelingt es leider nicht, das Leben im Japan der Tokugawa-Zeit bildhaft wiederzuerwecken, sondern er verliert sich in teilweise völlig nebensächlichen Details, die zwar quellentechnisch belegt, aber für den Gang der Biografie unerheblich sind. Das ist schade, denn gerade die frühe Tokugawa-Zeit hätte extrem viel Exotik zu bieten gehabt. Gut arbeitet Cryns die wechselseitigen Verflechtungen und unterschiedlichen Interessenlagen von Ieyasu, den Niederländern, Portugiesen und Spaniern heraus, aber auch hier verhaspelt er sich in den eigenen Details, so dass inhaltlich gleiche Passagen teilweise sogar auf derselben Seite doppelt auftauchen. Das darf man dem deutschen Lektorat nicht anlasten, das war schon im englischen Original nicht gut.
Cryns Adams-Biografie liefert im Vergleich zu den Biografien von 1905, 1995 und 2009 ein deutlich differenzierteres Bild, vor allem tritt Adams als Person besser hervor. Dadurch, dass verschiedene Perspektiven eingenommen werden, lassen sich die Intentionen besser interpretieren, werden aber auch komplexer. Der einzige wirkliche Nachteil, den ich sehe, ist das Fehlen jeder stilistischen Eleganz und der Fähigkeit, den Leser mitzureißen. Gelegenheiten dazu hätte es viele gegeben.