Während des Zweiten Weltkriegs arbeiteten Franz Neumann, Herbert Marcuse und Otto Kirchheimer, die in den 1930er Jahren vor der nationalsozialistischen Verfolgung ins Exil in die USA geflohen waren, für das Office of Strategic Services, den Vorläufer der CIA. Zwischen 1943 und 1949 versorgten sie die Amerikaner mit umfangreichen Dossiers über das politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in der NS-Diktatur, über Hitlers Kriegsstrategien und die Rolle des Antisemitismus. Darüber hinaus entwarfen sie Pläne für den Wiederaufbau einer demokratischen Gesellschaft nach dem Zusammenbruch des "Dritten Reichs". So spielten sie bei der Entwicklung der alliierten Nachkriegspolitik, den Entnazifizierungsprogrammen und der Vorbereitung der Nürnberger Prozesse eine maßgebliche Rolle.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Nicolas Freund begrüßt die deutsche Ausgabe der von Raffalele Laudini herausgegebenen 31 Berichte, die Franz Neumann, Herbert Marcuse und Otto Kirchheimer zwischen 1943 und 1949 für den amerikanischen Geheimdienst verfassten. Der Kritiker entnimmt den präzisen, bisweilen "komplizierten" Analysen der drei Mitglieder der Frankfurter Schule nicht nur Berichte zur gesellschaftlichen und politischen Lage in Nazi-Deutschland, sondern neben Richtlinien für die Aufhebung von NS-Gesetzen nach dem Krieg auch Gedanken zum Umgang mit Kriegsverbrechern. Auch für die Hinweise, die jedem Text durch den Herausgeber vorangestellt sind und die Originaltitel und Dokumente wie Besprechungsprotokolle benennen, um auf den jeweiligen anonymen Autor schließen zu können, ist der Rezensent dankbar. Ein großartiges Beispiel für "Wissenschaft aus der Distanz", das die politische Aktivität der Frankfurter Schule deutlich macht, lobt der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ein Buch als eine Zeitkapsel - Texte, die das Deutschland der 30er und 40er Jahre des letzten Jahrhunderts lebendig werden lassen. [...] Die Texte - damals alle als 'geheim' klassifiziert - wirken auch heute, 75 Jahre nach dem sie verfasst wurden, noch ungemein gegenwärtig. Das Buch dringt wie eine Sonde in den nationalsozialistischen Alltag ein, und man fragt sich, woher die Autoren all ihre Informationen hatten und ist erstaunt, wie hellsichtig ihre Analysen damals waren.« Robert Brammer, Deutschlandradio Kultur, 27.02.2016 »Wer nach Möglichkeiten emanzipatorischer Praxis sucht und zugleich wissen will, wie wir wurden, was wir sind, wer aus der Geschichte lernen will und deren Ballast im Hier und Heute zu überwinden trachtet, wer Theorie und vor allem Kritische Theorie dabei nicht als blutleer abtut, für den wird die Lektüre ein Gewinn sein.« Arnold Schmieder, socialnet.de, 18.04.2016 »Ein Lehrstück [...] für jene, die glauben, Geheimdienstakten enthielten nur Spitzelprosa und taugten allenfalls als Reservoir für Denunziationen wie der Stasi-Nachlass im politischen Handgemenge seit 1989. Geheimdienstakten bilden im Ausnahmefall auch eine wertvolle historische Quelle.«, Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte »Das umfangreiche und sorgfältig edierte Buch versammelt Berichte der Frankfurter Schule für den amerikanischen Geheimdienst und ordnet die Texte ihren jeweiligen Verfassern zu. [...] Aus heutiger Sicht beeindruckt, wie radikal die 'Neumann-Gruppe' die europäische Nachkriegsordnung umgestalten wollte.« Matthias Becker, konkret, 24.02.2016 »Die Berichte sind faszinierende Beispiele einer Wissenschaft aus der Distanz.« Nicolas Freund, Süddeutsche Zeitung, 25.07.2016 »Die Ausgabe 'Im Kampf gegen Nazideutschland. Berichte für den amerikanischen Geheimdienst 1943-1949' schließt eine empfindliche Lücke. [...] Den Nachgeborenen wird Einblick gewährt in eine historisch einmalige Konstellation, als kritische Gesellschaftstheoretiker versuchten, einer Weltmacht zur Einsicht zu verhelfen.« Detlev Claussen, die tageszeitung, 12.03.2016 »'Im Kampf gegen Nazideutschland' bietet eine interessante Einsicht in die Indienstnahme sozialwissenschaftlicher Methoden und intellektueller »Ressourcen« durch staatliche Agenturen, wobei der Band sowohl nostalgisch-romantisierende Rückblicke einzelner beteiligter Personen als auch ideologisch durchtränkte Gerüchte über den angeblichen Ausverkauf der kritischen Theorie korrigiert. Darüber hinaus versammelt er bislang öffentlich unzugängliche Analysen prominenter Vertreter des Instituts für Sozialforschung.«, Moleskin Blues, 16.05.2016 »Wo man die auf mehr als 700 Druckseiten entfalteten Expertisen auch aufschlägt, man liest sich fest. Mit ihrer enormen Sachkenntnis, ihrer analytischen Kraft und gedanklichen Klarheit bestehen sie durchweg.« Klaus-Dietmar Henke, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.05.2016 "für jeden, der sich für die Geschichte der Frankfurter Schule interessiert, eine aufregende Lektüre" Conrad Lay, SWR2 Die Buchkritik, 07.03.2016 »Die Analysen lesen sich spannend wie ein Krimi.« Dieter Sattler, Jewish Voice from Germany, 02.07.2016 »Mit Raffaele Laudanis Quellenedition liegt ein wichtiges Textkorpus vor, nicht nur für die Wissenschaftsgeschichte. Der Band ermöglicht den unverstellten Blick auf Wahrnehmungen der Zeit und den Stand der Analysen im 'Office of Strategic Services' durch Quellen, die für die Geschichte und Soziologie des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs zentral sind.« Eva-Maria Ziege, H-Soz-Kult, 01.12.2016
