Wie konnte sich das Recht im NS-Staat der politischen Ideologie des Nationalsozialismus so anpassen, dass sich Recht in Unrecht verkehrte? Herlinde Pauer-Studer gibt Einblick in die normativen Grundlagen des nationalsozialistischen Deutschland und den juridischen Hintergrund der eskalierenden Gewalt und Unmenschlichkeit, die in beispiellosen Verbrechen endete. Im totalitären "Führerstaat" entwickelten sich Strafrecht und Polizeirecht zu Instrumenten des Terrors. Die zunehmende normative Entgrenzung zeigte sich insbesondere in der Umsetzung der Rassenideologie des NS-Regimes, die auch mit Blick auf die Rolle der Ministerialbürokratie analysiert wird. Abschließend wird die Frage diskutiert, welche Bedingungen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbar sind, um ein Rechtssystem vor ideologischer Moralisierung und Politisierung zu schützen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Milan Kuhli bespricht Herlinde Pauer-Studers Buch über die Rolle des Rechts im Nationalsozialismus interessiert, aber nicht unkritisch. Pauer-Studer legt hier keine Gesamtdarstellung des Themas vor, vielmehr konzentriert sie sich auf den Übergang von der Weimarer Republik zur Diktatur aus juristische Perspektive sowie ausgewählte Bereiche wie das Strafrecht und die Polizeigerichtsbarkeit, anderes, wie etwa Wirtschaftsrecht, bleibt außen vor. Mit Pauer-Studer geht Kuhli darauf ein, wie Juristen an der Etablierung des Führerstaates mitgewirkt haben, indem sie Hitlers Handeln nicht als Willkür, sondern als Grundlage einer normativen Ordnung darstellten, auch das Strafrecht wurde im Sinne des NS ausgehöhlt. Dass das Recht in Teilen resilient geblieben ist gegen den Nationalsozialismus will die Autorin ebenfalls zeigen, wobei Kuhli nicht der Ansicht zu sein scheint, dass die entsprechenden Belege allzu relevant sind. Insgesamt sieht die Autorin, resümiert der Rezensent, das Problem des NS-Rechts darin, dass Recht, Moral und Politik nicht getrennt wurden, sie dagegen fordert, dass zwischen Recht und Moral klar unterschieden werden muss und dass beides nur durch den formalen Bezug auf den Rechtsstaat integriert werden soll. Kuhli will da nicht ganz mitgehen, er meint, dass es ausreicht, wenn die Mächtigen nicht ihre Moral anderen oktroyieren können. Insofern bleibt die Besprechung am Ende ambivalent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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