Ob vier Menschen in Brooklyn versuchen, Weihnachten mit einem verstimmten Klavier zu feiern, oder eine Frau den begehrten Mann ins Pornokino schickt - Alissa Walser ist eine Meisterin der Kurzform, der Tiefenvirtuosität, die mit Raffinesse unsere normalerweise verschwiegenen "menschlichen Zwischenräume" ausleuchtet. Sie entwirft mit schlafwandlerisch sicheren Strichen emotionale Gefüge zwischen Frauen und Männern, Freunden und Freundinnen, Eltern und Kindern. Manchmal steckt schon in einem einzigen Satz ein scheinbar vertrauter Roman. Aus Leben entstehen Bilder, und umgekehrt werden die Bilder lebendig. Die Sicht der Autorin, ihre kluge Wahrnehmung, kristallisiert die Verhältnisse in klarer poetischer Sprache.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Dies könnte genau die richtige Lektüre für den Sommer sein, glaubt Rezensentin Judith von Sternburg. Denn Alissa Walsers Erzählung "Immer ich" erscheint ihr nicht nur angenehm kühl, sondern zugleich wie der impressionistische Versuch einen "flirrenden" Augenblick einzufangen. "Nüchtern", aber doch geheimnisvoll erzähle Walser von den Beziehungen zwischen vier Frauen und Männern, die sich mal beim Yoga in Frankfurt, dann wieder bei einer Weihnachtsfeier im New York vor dem elften September begegnen. Dabei ist sich meist jeder von ihnen selbst genug, zumindest, wenn es sich nicht gerade zu bemitleiden gilt. Auch die Malerin Berthe Morisot tritt in einer kurzen Episode auf, um sich dann doch nur über Darwins Weltsicht zu beklagen. Bewundernd stellt die Rezensentin fest, wie es Walser gelingt, ihre Erzählung in einem "zarten" Schwebezustand zu halten, ohne sich dabei jedoch im Belanglosen zu verlieren.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Nach der letzten Seite will man nur eins: gleich wieder von vorne anfangen.", Vital 20151120
