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Computer und Kultur sind zwei Begriffe, die sich nicht mehr unvereinbar gegenüberstehen. Wie der gemeinsame Weg bereits heute aussieht und wie er vielleicht einmal verlaufen könnte, das beschreibt der Autor auf kompetente und spannende Weise.

Produktbeschreibung
Computer und Kultur sind zwei Begriffe, die sich nicht mehr unvereinbar gegenüberstehen. Wie der gemeinsame Weg bereits heute aussieht und wie er vielleicht einmal verlaufen könnte, das beschreibt der Autor auf kompetente und spannende Weise.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999

Der sichtbare Dritte
Steven Johnsons bester Freund / Von Bernhard Dotzler

Die Welt der vergangenen und der kommenden zwanzig Jahre wird eine Welt des PC gewesen sein. Zwar häufen sich die Nachrichten, dass seine Zeit nur noch gestundet sei. Die Haushalte und Büros der nördlichen Erdhalbkugel sollen in Zukunft über eine breite Palette einfacherer Alltagsgeräte mit der einen Großen Maschine namens Internet verbunden sein. Doch würde sich damit nur fortsetzen, was mit dem Personal Computer begann.

Von Anfang an war der PC auf ein Prinzip des Verschwindens hin angelegt. Er sollte möglichst jeden Schreibtisch mit den Vorteilen der Universalmaschine, die der Computer ist, versehen. Voraussetzung für seinen Erfolg aber war, dass der PC die Universalmaschine in ihm zugleich zur Verfügung stellt und gewissermaßen unsichtbar macht, unter der grafischen Benutzeroberfläche, dem Interface. Mit Recht kann man daher von einer "Interface Culture" sprechen wie Steven Johnson in seinem gleichnamigen Buch. Die Signatur, die das Interface dem Informationszeitalter verleiht, ist die Verwandlung der ungeheuren Datenmengen, die es hervorbringt, in Datenräume, die man visuell inspizieren kann. Mögen es anfangs auch nur schlichteste Piktogramme gewesen sein, so wurde der Computer doch auch durch sie schon begabt, seine Operationen zu verbildlichen. Der Computer, nennt Johnson das, erhielt die "Fähigkeit zur Selbstdarstellung". Er kam also gleichsam - als Medium - zu sich selbst, und er kam dem Benutzer sowohl eigenständiger als auch dienstbarer entgegen. Das grafische Interface erweckt den Eindruck "direkter Manipulierbarkeit". Um eine Datei löschen zu lassen, zieht man einfach ihr Symbol mit der Maus in den Papierkorb und wähnt so, selber derjenige zu sein, der die Datei vernichtet. "Es gibt", schreibt Johnson über die Entwicklung solcher Software, "im modernen Leben nur wenige schöpferische Taten von gleicher Bedeutung wie diese und nur wenige mit so umfassenden gesellschaftlichen Folgen."

Denn die visuelle Orientierung im Informationsraum - auf Kosten der Sichtbarkeit des Informationsmediums selber - bedeutet historisch einen "durchgreifenden Wandel". Um diesen Wandel zu verdeutlichen, reist Johnson nach dem Muster seines erklärten, doch uneingeholten methodischen Vorbilds Marshall McLuhan quer durch die Kulturgeschichte der letzten zweieinhalb Jahrtausende. Vergleiche mit der antiken Mnemotechnik des "Erinnerungspalasts", mit der Romanwelt eines Charles Dickens oder mit Edisons Erfindung des Fonografen sollen die medientechnische Situation der Zeit klären helfen. Aber schon die kurze Spanne der Geschichte moderner Rechenmaschinen lässt die Macht der grafischen Benutzeroberfläche hervortreten. Statt nämlich als Werkzeug oder "Tool", wie man den Computer zunächst zu begreifen versuchte, scheint sich der medientechnologisch realisierte Informationsraum als "Environment" zu entpuppen.

Wie lebt es sich in und mit dieser Umgebung? Wie wird es sich in ihr leben? Vor allem weniger spektakulär, als gerne ausgemalt wird. Zwei Schlüsselsätze kennzeichnen Johnsons Position. "Ich war zwölf, als meine Eltern unseren ersten PC kauften", lautet der eine, und der andere: "Wir sprechen meist über die grafische Benutzeroberfläche, als wäre sie ein logischer Höhepunkt der digitalen Revolution, ihre absolute Krönung, doch die Wahrheit ist, dass das Interface vorwiegend als Korrektiv der Kräfte dient, die das Informationszeitalter freigesetzt hat. Immer wenn ich mich dabei ertappe, dass die Klagelieder über die Fragmentarisierung Einfluss auf mich gewinnen, setze ich mich gern an meinen Computer und gehe wie gewohnt meiner Arbeit nach - ich sehe mir meine E-Mail an, arrangiere mein Desktop neu, logge mich ins Internet ein - und konzentriere mich dabei auf das, was wirklich geschieht, wenn ich diese Dinge tue."

Das ist die bemerkenswerte Haltung, aus der dieses Buch geschrieben ist. Sein Neuigkeitswert darf als gering eingestuft werden. Auch teilt es streckenweise die gattungsüblichen Schwächen: Vollmundigkeit, Großspurigkeit, dann auch wieder unfreiwillige, beinahe kindliche Komik. Doch selten wurde ein Buch - vom Untertitel bis zur Verlagswerbung, die den "Entwurf einer neuen Kultur für das einundzwanzigste Jahrhundert" verspricht - so falsch etikettiert wie in diesem Fall. Statt Deutung der Symptome zu sein, in denen sich unsere Zukunft ankündigt, hat das Buch selber symptomatischen Wert.

Johnson zelebriert die Selbstverständlichkeit des PC für die erste Generation, die seit ihrer Jugend mit ihm zu tun hatte. Er betreibt gleichsam Heimatkunde in umgekehrter Richtung: Ein Kind der PC-Generation erklärt seinen Eltern, in welchen Regionen des Cyberspace das tägliche Leben spielt. Und wie man diesen Raum verschönern kann. Denn zum alltäglichen Umgang mit einer Sache gehört das Bedürfnis, sich auch ihrer Gestaltung zu erfreuen. "Interface Design" heißt das Zauberwort, unter dessen Bann sich Johnson stellt. So ausschließlich will er nur die Oberfläche sehen, die er für wirklich wirklich hält. So entschieden will er aber angesichts ihrer auch sein Mitspracherecht demonstrieren.

Vielerorts wird derzeit nach Formen der Medienkritik auf genau dieser Ebene gesucht. Was den PC angeht, erübrigt Johnsons Buch die weitere Suche. Weder erfüllt es die Erwartungen, die man an eine Analyse der wirklich wirklichen Computerwelt stellen möchte, noch bestätigt es die Befürchtungen, die seine Etikettierung weckt. Stattdessen hat es im besten Sinne essayistische Züge: Essay über die Ansprüche, die ein Konsument der laufenden Softwareproduktion an diese Software vernünftigerweise stellen kann. Da ist zum einen ihre Dienstbarkeit als Arbeitshilfe, und da sind zum anderen ihre ästhetischen Qualitäten. Muss man nicht allmählich lernen, fragt Johnson, "die grafische Benutzeroberfläche als ein Medium anzusehen, das genauso komplex und vital ist wie der Roman, die Kathedrale oder das Kino"? Dann wäre die Bürowelt der "Desktop"-Programmierer nicht mehr die erste und letzte, über die es zu spekulieren lohnt. So viel Voraussicht schließlich muss sein - für eine Zeit, wenn der PC als Archetyp, der das Computerzeitalter in aller Öffentlichkeit heraufgebracht hat, ausgedient haben wird.

Steven Johnson: "Interface Culture". Wie neue Technologien Kreativität und Kommunikation verändern. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1999. 296 S., geb., 39,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bernhard Dotzler schildert das Buch als einen Essay über das Zeitalter des PCs, der seine eigentliche Maschinerie hinter einer Benutzeroberfläche, dem "Interface", verstecke. An sein Vorbild, den Medientheoretiker Marshall McLuhan, reiche Johnson zwar nicht heran, aber sein Buch lasse doch die Macht dieser grafischen Verräumlichungen der Datenflüsse hervortreten. Der Neuigkeitswert des Buchs sei gering, aber als Essay über die Ansprüche, die man an Software "vernünftigerweise" stellen könne, sei es hilfreich.

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