"Mitschrift des Sommers" heißt der schöne geduldige Zyklus, der diesen Band abschließt und der entstanden ist während eines längeren Aufenthalts der Autorin in einem Frauenstift. Ihn durchziehen die Wärme und das Blühen der Jahreszeit, die gesteigert sind durch die Stille, wie die Klosterregel sie will. Sie führt zu einem gelassenen Für- und Bei-sich-Sein, das zugleich aufmerksam macht für die Geschichte des Ortes, die auch die Geschichte jener Frauen ist, die dort zuhause waren, bis sie im Klosterfriedhof ihre endgültige Ruhe fanden. Ursula Krechel, die zuletzt mit dem großen historischen Roman "Shanghai fern von wo" ihr episches Können vorgeführt hat, kehrt in diesem Buch einstweilen zurück zum Gedicht. Zwischen winterlichen Bildern der Erstarrung und Tagen, "als hätte jemand / du vielleicht oder ein schüchterner Glückspilz / mit einem großäugigen Würfel die richtige Zahl getroffen", entfaltet Ursula Krechel mit kluger und hellwacher Aufmerksamkeit - und bisweilen nicht ohne hintersinnigen Humor - ihr Wissen darüber, wie das, was einst "Erdenwandel" genannt wurde, dahingeht."
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Harald Hartung kennt die Dichterin und ihr Werk und weiß diesen neuen Gedichtband von Ursula Krechel innerhalb der Entwicklung der Autorin zu verorten. Eine bedeutende Station, eine Wendung stellt das Buch für ihn insofern dar, als der aufklärerische Gestus hier von einem des Zweifelns, der Skepsis abgelöst wird, wie er schreibt. Keine Antworten also, sondern Fragen, das Gedicht als Essay. Wenn Krechel darin mit Dichter-Kollegen wie Celan, Diderot oder H.C. Artmann in einen intellektuellen Diskurs tritt und die "strukturelle Wahrheit" in der Sprache auslotet. Dazu liest Hartung Gedenkgedichte (für Oskar Pastior) und lernt schließlich, dankbar für diese Erfahrung, das Metaphysische in der von der Dichtern ausgehaltenen Sprachlosigkeit kennen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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