Die britische Profumo-Affäre von 1963 gehört zu den legendärsten, bis heute nicht völlig geklärten Polit-, Sitten- und Justiz-Skandalen aus der Zeit des Kalten Kriegs. Als tragisches Wetterleuchten bevor London als "Swinging London" zur Welthauptstadt der Popkultur wurde, ist die Affäre durch Filme und Songs dann selbst ein Teil dieser Popkultur geworden. Zum 100. Geburtstag der großen deutsch-britischen SchriftstellerinSybille Bedford bringen wir deren luzide, bislang unveröffentlichte Gerichtsreportage heraus - ein juristischerRealkrimi und eine literarische Entdeckung. John Profumo, britischer Kriegsminister, stürzte über eine Affäremit dem Callgirl Christine Keeler, die gleichzeitig ein Verhältnis mit einem sowjetischen Marineattaché hatte. Schillernder Hintermann dieser Revolvergeschichte, in der es um Sex und Drogen, Poolparties und Parlamentarier, Meineide und Messerstechereien, britische Aristokratie und westindische Halbwelt, Politik, Spionage und Geldgier geht, war der Society-Osteopath, Portraitmaler und Gelegenheitsreporter Dr. Stephen Ward (1912-1963). Mahatma Gandhi, Winston Churchill, Ava Gardner, Mel Ferrer, Lord Astor und Douglas Fairbanks jr. zählten zu seinen illustren Patienten. Er hatte Mitglieder der Royal Family portraitiert und für den Daily Telegraph über den Eichmann-Prozess berichtet. Im Zuge der Profumo-Affäre wurde er 1963 in einem umstrittenen Sensationsprozess wegen Zuhälterei angeklagt und starb am Vorabend des letzten Prozesstags an einer Überdosis Schlaftabletten. Sybille Bedford (1911-2006) beschreibt in Jagd auf einen Lebemann mit unbestechlichem Menschenblick und der ihr eigenen schriftstellerischen Brillanz, wie Politik, Justiz und Presse einen unliebsam gewordenen Mann mit zwielichtigen Zeugen, prozessualen Finessen und geschickt lancierten Berichten zu Fall bringen. Ihre engagierte Reportage über den "öffentlichen, allzuöffentlichen Prozess" schließt mit der Frage: "Was war der Grund für die gnadenlose Verfolgung von Dr. Ward und warum verfing sie? Wenn wir hartnäckig genug fragen, werden wir ein paar Antwortenbekommen. Der Rest darf nicht Schweigen sein."
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Felicitas von Lovenberg kann gar nicht oft genug betonen, wie sehr ihre Weltläufigkeit, ihre Unangepasstheit, ihre Lebensfreude und natürlich ihre Beobachtungsgabe und Menschenkenntnis der Autorin bei diesem Stück Literatur zupass kam. Einen Prozess wegen Zuhälterei gegen einen notorischen Lebemann verfolgen und beurteilen, das, versichert Lovenberg, vermochte Sybille Bedford wie keine zweite. Dass das Resultat dieser Arbeit zum 100. Geburtstag von Bedford nun erstmals auf Deutsch vorliegt, möchte die Rezensentin mit uns feiern.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH







