In einer Zeit, als Europa noch weit davon entfernt war, Liebe als Gefühl zu erfinden, schrieb im fernen Indien ein bis heute nahezu unbekannter Autor das erste Lehrbuch der Liebe, das Kamasutra. Liebe war keineswegs eine theoretische oder bloß innere Angelegenheit des Herzens. Liebe bedeutet im eigentlichen Sinne Lieben, Lieben heißt Begehren und vor allem Liebe machen, und wie jede körperliche Aktivität erfordert dies Anleitung und Übung. Der Mensch ist nach alter hinduistischer Vorstellung auf dem Weg der Vervollkommnung, wenn sein Körper zum erfahrenen und daher wohlklingenden Instrument des Begehrens und der Lust geworden ist. Kakars Roman führt uns in das Goldene Zeitalter Indiens, in eine Welt, in der die Sinnlichkeit ein elementarer und notwendiger Teil menschlicher Erfahrung war. " Sündig" wurden allenfalls diejenigen, die Lust und Liebe voneinander trennten. Der Roman, der den verschlungenen Lebensweg Vatsyayanas - des Autors des berühmten Liebeslehrbuchs - erzählt, erweckt die historischen Protagonisten des Kamasutras und ihr verstörendes Universum zum Leben; aber vielleicht muß man dieses Buch nicht nur als Zeitreise in die Vergangenheit lesen, sondern als ein utopisches Gemälde von lustvoller Körperlichkeit und als einen Entwurf, wie künftig ein anderes, sinnlich bewußteres Liebesleben aussehen könnte.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Martin Kämpchen findet das Buch misslungen, aber interessant. Der Roman erzählt die Lebensgeschichte Vatsyayanas, der im dritten oder vierten Jahrhundert nach Christus den "Kamasutra" schrieb: Ein Schüler interviewt den Meister, um einen Kommentar zum Kamasutra zu schreiben. Er wird der Geliebte von Vatsyayanas Ehefrau und stellt fest, dass der Autor dieser berühmten Abhandlung über die Liebeskunst, zölibatär lebt, sein Wissen also rein theoretisch ist. Kakar ist "zu sehr engagierter Sozialkritiker und Missionar des sexuellen Liberalismus", um Geschichten oder Charaktere erzählen zu können, meint Kämpchen leicht betrübt. Die erotischen Szenen erinnern ihn an "Gebrauchsanweisungen" - er meint das ohne Einschränkung negativ. Vielleicht liegt es daran, dass Kakar den Roman in Berlin geschrieben hat? "Bewundernswert" findet Kämpchen allerdings die psychologischen Einsichten Kakars in die Sexualität und die Beziehung der Geschlechter.
© Perlentaucher Medien GmbH
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