Köstliche Jahre MFK Fisher hat sie als junge, frisch verheiratete Frau in Dijon verlebt, als sie 1929 mit ihrem Mann nach Frankreich kam. In den Bars und Cafés der Stadt und an der reich gedeckten Tafel ihrer einfachen Herberge entfaltet sich ihr eine völlig neue Welt der guten Weine, vorzüglicher Käse und feinster Patisserie. Das tägliche, gemeinsam mit den anderen Gästen des Hauses eingenommene Abendessen wird bald zur geliebten Tradition. Und die Wunder der französischen Küche trösten sie über die ersten Enttäuschungen ihrer Ehe, über Entbehrungen und Fremdheit hinweg. Mit feiner Nase, genüsslichem Gaumen und vitaler Feder hält MFK Fisher amüsant und bildreich die Lebensweisen und kulinarischen Besonderheiten des Landes fest. Um in dieser Zeit das typische Frankreich zu beschreiben, konnte die Wahl auf Dijon kaum besser ausfallen. Versteckt zwischen Weinbergen, abseits der Hauptstraßen und der Großstadt Paris, bewahrte sich die alte Hauptstadt des Burgund ihren unverfälschten Charme. Hier, im gastronomischen Zentrum Frankreichs, lernt die Amerikanerin, dass die französische (Ess)kultur noch mehr bedeutet als kulinarischen Genuss, nämlich: Liebe, Lust und savoir-vivre.
Ende der zwanziger Jahre kommt Mary Frances Fisher (1908 - 1992) nach Dijon, wo ihr Mann Al in den nächsten zwei Jahren an seiner Dissertation arbeiten wird. Die frischvermählte Frau aus gutem, kalifornischem Hause wohnt bescheiden zur Untermiete in einem Altstadthaus der burgundischen Hauptstadt. Kost und Logis bei den wechselnden, ebenso skurrilen wie geschmacksvernarrten Hausherren kosten nur ein paar Sous. Die Abende werden in Kinos und Restaurants verbracht. Tagsüber geht die junge Madame Fisher zur Kunsthochschule, so wie es sich für eine höhere Tochter gehört, die zur Bohème strebt. Ihre éducation sentimentale aber erfährt Mary Frances Fisher bei Tisch. Anders und mit ihren eigenen Worten gesagt, sie wird erwachsen, lernt Frankreich lieben und die Küche des Landes schätzen. Die zu Papier gebrachten Wanderabenteuer mit Honoratioren des Club Alpin, die Besuche der wunderlichen Miss Lyse, die Marotten von Als Doktorvater, all das liest sich köstlich. Ins Zentrum aber rücken Braten, Pasteten, Soufflés, die so prägend sind, dass sie Mary Frances Fisher den Weg in die spätere gastronomisch-literarische Karriere weisen. Auf deren Höhepunkt wird John Updike die Feuilletonistin, Autorin und Übersetzerin als "die Poetin des Appetits" rühmen. Bliebe der Dünkel, den die Autorin vor sich herträgt wie ein Lorgnon. Ressentiments gegenüber deutschen Mitstudenten mögen aus dem Zeitkontext erklärlich sein. Die Überheblichkeit gegenüber einer tschechischen Mitbewohnerin hingegen ist es nicht. So bleibt ein fader Geschmack nach all den euphorisch gelobten Speisen und Mahlzeiten, der nämlich, dass sowohl Köche als auch Tischnachbarn nur als Souffleure dienen, auf deren Stichworte Madame Fisher mit feingeschliffener Rede die Bühne betritt.
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"Köstliche Jahre. Eine Amerikanerin im Herzen Burgunds" von Mary Frances Kennedy. Edition Ebersbach, Berlin 2008. 204 Seiten, Abbildungen. Gebunden, 18 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Als eine schöne Erinnerung an die Zeit, als es noch regionale Küchen gab, hat Rezensent Stefan Fischer dieses Buch gelesen, in dem die amerikanische Essayistin MFK Fisher ihre Erlebnisse im Burgund der dreißiger Jahre niedergeschrieben hat. Oder besser gesagt: In dem sie von ihrer Liebe zu Dijon, seiner Küche und seinen sonderlichen Bewohnern erzählt. Manchmal gerät ihm dies vielleicht ein wenig zu schwärmerisch, aber immer wieder ist er doch von Fishers "bemerkenswerter Gabe" beeindruckt, mit wenigen Worten eine Person oder ein Ereignis darzustellen. Und selbst wenn sie mit einem Urteil manchmal zu schnell zur Hand sei, meint Rezensent Fischer, sei sie doch immer wieder bereit, dies zu korrigieren. So habe sie sich anfangs noch über die schmutzigen Straßen der Stadt "mokiert", um später vom "Duft von Ingwergewürzkuchen aus den Souterrain- Bäckereien" zu schwärmen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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