Das, was nach außen hin als schlichte Erzählung, kurze Anekdote, nebensächliche Beschreibung erscheinen mag, weist bei genauer Betrachtung oft eine Anzahl weitverzweigter Verbindungsstränge auf, die in historische, philosophische, psychoanalytische Tiefen führen. Solchen »komplexen Strukturen« ist Frank Witzel in seinem neuen Buch mit dem gleichnamigen Titel auf der Spur. In achtzig Texten untersucht der Autor auf eine gleichzeitig erzählende wie selbstreflektierende Weise Strukturen, die von der Harmlosigkeit bis zur Demütigung, von der Parabel bis zur Schulpause, von der Verpuppung bis zur Willenskraft reichen. So entsteht das eigenwillige Panorama einer Enzyklopädie des Zufalls, die jedoch gerade dadurch, dass sie sich weder auf einen Stil noch auf ein Thema beschränkt, eine pulsierende, beständiger Veränderung unterworfene Systematik offenlegt.
In abgründig virtuosen Texten voll abenteuerlicher Fabulierlust, die sich mal als Erzählung, mal als Anekdote entpuppen, rüttelt Frank Witzel an den Grundfesten einer Welt, die sich selbst recht unzureichend zu kennen scheint.
In abgründig virtuosen Texten voll abenteuerlicher Fabulierlust, die sich mal als Erzählung, mal als Anekdote entpuppen, rüttelt Frank Witzel an den Grundfesten einer Welt, die sich selbst recht unzureichend zu kennen scheint.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Enno Stahl lässt sich gerne von der existentialistischen Flut mitreißen, die Witzel mit dieser Sammlung an philosophischen und schwer bestimmbaren Metatexten auf ihn loslässt. Ein Roman sei dieses in 80 Kapiteln aufgeteilte Ding nicht, eher eine anspielungsreiche Ansammlung an Abschweifungen. Auch die gewählten Formen und Erzählweisen unterscheiden sich stark voneinander, manchmal ist es eine Kurzgeschichte, dann doch ein Essay oder eine Parabel, der Inhalt schwankt irgendwo zwischen Traum und Trauma, grübelt der Kritiker. Ein Text besteht aus der Parabel um den brutalen Tod eines Kindes, die dann im Verlauf des Textes erschöpfend analysiert wird, es ist Ausführung und Abhandlung über die Ausführung in einem, lesen wir. Es sind jedoch immer Texte über die Tragödie des menschlichen Daseins, durchpflügt von einem leisen, "gnomischen Humor" und einer zurückgenommenen Sprache. Dieses Prinzip der bewussten Abschweifung und des einnehmend erratischen Rhythmus' erinnert Stahl sowohl an Robert Walser und Kafka als auch an W. G. Sebald und Laurence Sterne. Für den Rezensenten zwar keine Einladung zur Binge-Lektüre, aber nichtsdestotrotz lohnenswert, besonders in Momenten, in denen die eigene Existenz nervt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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